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Earth Overshoot DayAb heute geht es an die Substanz

Am Mittwoch war der „Tag der globalen Öko-Schulden“. Er zeigt, wie verschwenderisch wir mit unseren Ressourcen umgehen.

Ab dem 23. August verbrauchen wir Ressourcen aus der Substanz. Bild: dpa/taz

BERLIN taz | Seit Anfang des Jahres haben wir so viel Ressourcen verbraucht, wie die Erde in einem ganzen Jahr kompensieren kann. Das ist die Botschaft des Earth Overshoot Day, des Welterschöpfungstages, dessen Termin das US-amerikanische Global Footprint Network jährlich berechnet. Bis zum Jahresende lebe die Menschheit über ihre Verhältnisse, heißt es in einer Mitteilung des Netzwerks.

Im laufenden Jahr hätten diverse ökonomische und ökologische Krisen beim Ressourcenverbrauch zugeschlagen, so die Forscher. Sowohl die europäischen Staatsfinanzierungskrisen als auch Extremwetterereignisse hätten zu Verteilungsproblemen, Nahrungsmittelengpässen, Grundwasserbelastung und Überfischung geführt. Damit sei die sogenannte Biokapazität überfordert. Hinter diesem Begriff verbergen sich die Fähigkeiten der Natur, Luft und Wasser zu reinigen und Rohstoffe nachwachsen zu lassen.

Ein Problem ist, dass sich der Overshoot Day, der dieses Dilemma zuspitzen und kommunizierbar machen soll, nicht so exakt festlegen lässt. Eine Schwankung von mindestens einer Woche müsse man einberechnen, erklärt etwa Wolfgang Pekny von der österreichischen Plattform Footprint.

In den letzten Jahren schwankte der Termin jeweils um über einen Monat. 2010 wurde der 21. August berechnet, 2011 der 27. September – nun geht es wieder zurück in den August. Davor hatte er regelmäßig im Herbst gelegen und sich jährlich um einige Tage nach vorn verschoben. Grund für die heftigen Schwankungen seien neue Erkenntnisse, die die Rechenmethode beeinflussten, heißt es: So sind die Meere aufnahmefähiger für Treibhausgase als zunächst vermutet.

Auch wenn der langfristige Trend völlig klar sei, so seien die jüngeren Analysen des Footprint-Netzwerks doch medial schwer zu vermitteln, bestätigt Jürgen Knirsch von Greenpeace. „Die Methode hat Schwächen, und das Netzwerk arbeitet teilweise mit Daten, deren Herkunft unklar und auch nicht durch Rundungsfehler erklärbar ist.“

Auch Footprint-Experte Pekny verweist auf den großen Rahmen, der auch durch die schwankenden Ergebnisse nicht in Frage gestellt werde: „Die Analyse des Overshoot zeigt uns höchst alarmierende Trends, die von der Politik sträflich ignoriert werden.“ Es gebe keinerlei Ziele, die jährliche „Öko-Neuverschuldung“ einzudämmen. „Parallelen zur Finanzkrise sind offensichtlich“, sagte er. Kern einer Lösungsstrategie müsse die Abkehr vom nationalen Wachstumsglauben sein, vor allem weil arme Länder zunächst weiter wachsen müssten – und damit auch mehr Natur verbrauchen.

Greenpeace-Mann Knirsch wären eindeutigere Daten allerdings lieber. Es herrsche bereits genug Verwirrung. Er fände es schön, klar kommunizieren zu können, wie viel Ressourcen wir jährlich zu viel nutzten: „Ich selbst komme auf etwa 1,25 Planeten. Es kursieren aber auch Daten, dass wir für unseren Verbrauch mindestens 1,5 bis 1,6 Erden brauchen würden.“

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7 Kommentare

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  • M
    maschkom

    In der Tat ist die Verwirrung problematisch. Ist es nicht sogar gewollt, dass die Bürger nicht die glasklare Wahrheiten bekommen sollen? Womöglich würden sie dann ihren Konsum-Wahnsinn einschränken. Bei genauer Betrachtung des Zustands in der Welt, bekommt man automatisch ein schlechtes Gewissen. Da kommt dann solch eine Organisation, wie der "Global-Marshall-Plan" daher und übernimmt deren Wahrheit auch noch. Am Ende kommt dabei heraus, dass die Bürger den weiteren Raubbau an der Natur akzeptieren. Den Menschen wird eingeredet, dass sie machtlos wären und die Mächtigen schon das Richtige tun. Den Menschen bleibt doch gar nichts anderes übrig als deren Marketing zu glauben.

    Ich möchte Greenpeace auffordern eigene Studien dagegen zuhalten, die ebenso über hochkarätig Prominente kommuniziert werden.

     

    Der fehlgeleitete Glaube wäre für sich genommen vielleicht gar nicht so schlimm, wenn damit nicht die Rechtfertigung kommuniziert werden würde, dass die Treibstoffkosten und Energiekosten steigen müssen, obwohl es keinen direkten Zusammenhang gibt.

     

    Diese Strategien lassen sich also allein auf Profitinteressen zurückführen.

  • T
    T.V.

    Ich finde ja wir sollten die Erde endlich klonen, vorsorglich alle Menschen auf der zweiten Erde töten, dann passt dat schon. Aber vielleicht hat Greenpeace ja auch nen besseren Vorschlag von welchem Planeten wir uns ne halbe Erde abschneiden, wenn das schon reicht.

  • WS
    Wendelin Sandkühler
  • WS
    Wendelin Sandkühler

    @Branko: Richtig. Die mineralischen Ressourcen wie Öl, die in Jahrmillionen entstehen, spielen in dieser Betrachtung keine größere Rolle. Dafür gibt es ja viele andere Berechnungen, wie lange sie noch reichen. Nur zusammen - und mit weiteren Indikatoren wie Biodiversität, Extrem-Wetter-Risiko, Verteilungsfragen uvm - ergibt sich ein realistisches Bild des ökologischen Zustands der Erde. Deshalb sind die (Ressourcen-)Indikatoren ja auch nicht ohne Probleme für die Kommunikation, wie der Text andeuten soll.

    Unsere Einstiegsformulierung ist aber unvollständig und etwas irreführend. Deshalb danke für den Hinweis.

    Einen gelungeneren Formulierungsvorschlag machen etwa WWF, GLOBAL 2000 und Greenpeace in Österreich.

    "Die Menschheit nimmt sich dann mehr von der Erde als diese jährlich an natürlichen Ressourcen erneuern und an Treibhausgasen aufnehmen kann."

     

    @Fred Kirchheimer: Ich versuche mich mal schlau zu machen. Was die Recherche vor Ort angeht: auf die naheliegensten Dinge kommt man ja oft selbst als letztes. Also vielen Dank für die Anregung.

  • B
    Branko

    "Seit Anfang des Jahres haben wir so viel Ressourcen verbraucht, wie die Erde in einem ganzen Jahr kompensieren kann."

     

    Hä?

    Das würde ja bedeuten, daß die Erde 75% unseres derzeitgen Vebrauchs kompensieren - also wieder herstellen kann.

     

    Das kann aber nur sogenannte regenrative Resourcen meinen und schließt mineralische Resourcen, wie Kohle, Öl, Gas und Erze aus.

     

    Denn hierfür brauchte der Planet mehrere Millionen von Jahren, diese zu erzeugen, die wir in ein paar Jahrzehnten verblasen haben.

    Hier hat die Erde eine Kompensierungsrate, die eher irgendwo bei 0,000000003% sowas rum liegt.

  • M
    Mirko

    "Ein Problem ist, dass sich der Overshoot Day, der dieses Dilemma zuspitzen und kommunizierbar machen soll, nicht so exakt festlegen lässt."

     

    Ein viel größeres Problem am "Overshoot Day" ist, dass das Konzept in der Absicht, das Problem kommunizierbar zu machen, die Tatsachen eher verschleiert und verharmlost: Es entsteht der Eindruck, dass bis zum 23. August alles in Butter ist, und die Übernutzung erst heute beginnt. Das ist natürlich Quatsch (wenn auch typisch menschlich, da z.B. das gleiche Problem wie wenn am Ende vom Geld noch zuviel Monat übrig ist). Wir nutzen (wenn ich mit dem ca. 235. Tag richtig gerechnet habe) PERMANENT, an jedem einzelen Tag des Jahres, 155% der Ressourcen, die wir nutzen dürften, nur allein um auf +-0 rauszukommen.

     

    Dieser Darstellungsweise mangelt es gleich noch an etwas Weiterem: Man kann daraus nicht ablesen, wann die Ressourcen aufgebraucht sind (wenn mich meine Mathematik-Kenntnisse nicht täuschen). Dieser Fakt wäre doch vielleicht (je nachdem) deutlich erschreckender.

  • FK
    Fred Kirchheimer

    Aprops Energieverbrauch: Wie hoch ist der denn bei den Servern über die die taz ihre News weltweit verbreitet? Welche Aktivitäten unternimmt die taz um diesen Energieverbrauch zu optimieren.

    Und wie sieht es mit dieser Frage bei den Monitoren und PC's, die ja sicher auch zuhauf benutzt werden, aus. Ist das alles optimiert.

    taz, zeig den Lesern, daß man nicht nur über das Thema schreibt, sondern selbst sensibel dafür ist. So ein Bericht hat den Vorteil, daß die Recherche doch sehr einfach vor Ort durchzuführen ist,oder?