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Archiv-Artikel

EVA VÖLPEL ÜBER DIE KEHRSEITE DES DEUTSCHEN JOBWUNDERS Flexibel bis zum bitteren Ende

Schneller als gedacht könnte sich das „deutsche Jobwunder“ zum deutschen Albtraum entwickeln

Deutschland wird in immer mehr Bereichen zum Niedriglohnland. Zu diesem Schluss kommt – einmal mehr – eine neue Studie ausgerechnet der Bertelsmann-Stiftung. Der zufolge wächst hierzulande nicht nur die Anzahl der „working poor“, auch werden sogenannte flexible Beschäftigungsformen wie schlecht bezahlte Teilzeitjobs, unsichere Zeitarbeit und Solo-Selbstständigkeit immer weiter ausgebaut. Es ist die Kehrseite des oft beschworenen „deutschen Jobwunders“, auf das die europäischen Nachbarn in der Wirtschaftskrise so neidisch schauen.

Diese niedrige Arbeitslosigkeit ist allerdings auch durch sinkende Reallöhne und eine Ausweitung flexibler Beschäftigungsformen auf dem Rücken der Arbeitnehmer erkauft – und dieser Trend wird sich noch verstärken: Denn die Wirtschaftskrise beschleunigt den Umbau der Arbeitsgesellschaft. Während im verarbeitenden Gewerbe im Dezember 2009 im Vergleich zum Vorjahresmonat rund 270.000 Stellen wegbrachen, ist Jobwachstum nur noch in der Dienstleistungsbranche mit ihrer traditionell niedrigen Entlohnung und geringen Beschäftigungszeiten zu vermelden.

Schneller als gedacht könnte sich das „deutsche Jobwunder“ zum deutschen Albtraum entwickeln.

Niedriglöhne und Exportweltmeisterschaft funktionieren nämlich nur dann, wenn andere Länder auch bereit sind, Waren „made in Germany“ zu kaufen. Doch gerade diese scheinbare Selbstverständlichkeit gilt nicht mehr. Die von Deutschland so vehement eingeforderten Sparprogramme werden den Konsum in Griechenland und bei möglichen weiteren Pleitekandidaten einbrechen lassen. Statt jedoch auf die Stärkung des Binnenwachstums zu setzen, singt die Bundesregierung nach wie vor das hohe Lied der Flexibilisierung – nicht zuletzt die Bundesarbeitsministerin, die seit Januar verspricht, Missbrauch in der Zeitarbeit zu bekämpfen. Ein Konzept hat sie bis heute allerdings nicht vorgelegt.

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