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EUROFACETTENNamen statt Programme

■ Frauen sind die Leidtragenden der Wahlrechtsänderung

Vota donna — Wählt Frauen: der Slogan, verschlissen und wortgleich dem vor fünf Jahren, guckt diesmal nur schüchtern zwischen all den aufgeblasenen, arroganten Gesichtern durch, versteckt zwischen Namen und Parteisymbolen. Symbole gibt es viel mehr als vor fünf Jahren, bei der letzten Parlamentswahl, vor allem aber sind es Namen, die da allüberall prangen — vorwiegend von Männern. Nie zuvor hat Italien in seiner Nachkriegsgeschichte so sehr auf Personen gesetzt. Irgendein braver Mensch findet sich immer, auch schmutzigen Parteien sein Gesicht zu leihen. Frauen, die oft vom Programm zu leben versuchen, haben es diesmal schwerer denn je. Denn Italien hat sich ein neues Wahlrecht gegeben — durchgesetzt vom Volk und vor allem von Frauen. Ein Referendum hat die vormalige Bestimmung abgeschafft, wonach jeder Stimmbürger vier Kandidaten ankreuzen konnte — Basis für „Seilschaften“, wo ein wahlstarker Kandidat drei politische Nullen nach sich zog, die ihm dann ihre Klientel und damit parteiintern Macht zuschanzten; die Mafia brachte ihre Leute so ins Parlament.

Nun hat jeder nur noch eine Stimme — doch der Effekt kehrt sich gegen die Frauen, ihre Zahl wird sich im Parlament stark verringern — wobei es bisher sowieso nur knapp zwölf Prozent waren.

Vor fünf Jahren war das „Vota donna“ eine Zugnummer für alle Parteien, vor allem die damals noch bestehende KP hat davon profitiert. Auch wenn kaum eine von ihnen an die Schalthebel kam, so entstand doch ein kleines, aber munteres Frauen-Völkchen im Parlament. Leider auch mit zahlreichen Lastern — etwa dem, auch bei tiefgreifenden Grundsatzfragen nicht immer zusammenzustehen. Das für Europa fortschrittlichste Sexualstrafrecht kam so im letzten Moment zu Fall — die Zusammenarbeit der Frauen über Fraktionsgrenzen hinweg wurde der Parteiräson geopfert.

Der derzeit laufende Wahlkampf ist mittlerweile derart personalisiert und bösartig geworden, daß den meisten Parteien das „Vota donna“ nichts mehr zu bringen scheint: Frauen haben weder Geld für eine auf ihre Person zugeschnittene Kampagne — noch werden sie von der Partei noch gestützt, nur weil sie Frauen sind. Um heute aussichtsreich präsentiert zu werden, müssen sie durch irgendwelche Ereignisse gerade zufällig landesweit berühmt sein. „Wählt Angela Casella, die Antimafia-Mamma“, wirbt die Democrazia cristiana mit der Mutter eines 1990 entführten Jungen. So jemand ist dann wählbar, von ganzen Familien. Auch von den mafiosen, die die Regierungsparteien seit jeher stützen. Raffaella Menighini

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