EUGH: WICHTIGER ETAPPENSIEG FÜR DIE BAUERN GEGEN SAATGUT-KONZERNE : Mendels mächtige Erben abgewatscht
Die Herren des Morgengrauens kommen manchmal auch am Mittag. Sie betreten mit der Autorität eines Kriminalkommissars den Bauernhof, stellen sich als Angehörige der Saatgut-Treuhand-Verwaltungs GmbH vor und begehren Einlass in die gute Stube. Dort sind sie mit einer Tasse Kaffee selten zufrieden. Sie wollen mehr. Sie wollen schnüffeln, Aktenordner durchstöbern, ja die Bauern in die Enge treiben. Die sollen ihnen gefälligst alle Belege über ihr ausgebrachtes Saatgut vorlegen. Lückenlos! Leider trauen sich nur wenige Bauern und noch weniger Bäuerinnen, den penetranten Gästen unter Absingen schmutziger Lieder zu zeigen, wo der Zimmermann das Loch gelassen hat.
Künftig wird es ihnen leichter fallen, die Schnüffelbrigaden rauszuwerfen. Mit dem gestrigen Urteil des Europäischen Gerichtshofs sind Mendels mächtige Erben, der europäische Dachverband der Saatgutzüchter, erneut kräftig abgewatscht worden. Das Gericht hat eindeutig festgestellt, dass die Saatgutmafia kein Recht hat, von den Bauern Auskunft zu verlangen, was sie wann und wo gekauft, bezahlt und ausgesät haben. Es ist ein wichtiger Erfolg für die Bauern und die Interessengemeinschaft gegen Nachbaugebühren (IG Nachbau).
Kern des Streits ist nach wie vor die Frage, ob Nachbaugebühren überhaupt berechtigt sind und falls ja, in welcher Höhe. Seit Jahrtausenden haben die Bauern ihr eigenes Korn ausgesät, das sie aus eigener Ernte gewonnen haben. Doch im ausgehenden 20. Jahrhundert begannen die Saatgutfirmen, nicht nur für den einmaligen Verkauf von Saatgut zu kassieren, sondern auch für den Nachbau. Um diese Geldmaschine zum Laufen zu bringen, müssen sie allerdings wissen, welcher Bauer was ausgesät hat. Ohne Auskunftspflicht wird es schwer, einen „Verstoß“ der Bauern nachzuweisen. Jetzt haben sich die Saatgutzüchter eine blutige Nase geholt. Doch sie werden nicht aufgeben. Die IG Nachbau befürchtet, dass sie künftig verstärkt über Aufbereiter, Vermehrer und Verkäufer von Saatgut an das begehrte Datenmaterial kommen wollen. Der Streit ist noch nicht zu Ende, aber eine wichtige Etappe gewonnen. MANFRED KRIENER