piwik no script img

EU diskutiert Anti-Piraterie-MaßnahmenHarte Strafen für Tauschbörsen-User

Die Medienindustrie will, dass notorischen Tauschbörsen-Nutzern der Internetzugang gesperrt wird. Frankreich peilt ein entsprechendes Gesetz an - und auch das EU-Parlament diskutiert darüber.

Die Leute sollen bitteschön wieder brav CDs kaufen gehen - oder wenigstens legal downloaden! Bild: ap

Die Anti-Piraterie-Idee, die konservative Politiker und Lobbyorganisationen der Medienindustrie gerne baldmöglichst in Gesetzesform gießen würden, ist so einfach wie radikal: Notorischen Nutzern von Dateitauschbörsen soll künftig bei dreimaligen Vergehen der Netzzugang gesperrt werden. Entsprechende Bemühungen gibt es in Frankreich und Großbritannien. Am Montag wurde der Vorschlag nun auch in den zuständigen Ausschüssen des EU-Parlaments besprochen.

Es war ein wahrer Sitzungsmarathon: Neben dem "Telekompaket", in dessen großem Maßnahmenbündel auch die Piraterie-Bekämpfungs-Initiative versteckt ist, standen zahlreiche andere Entscheidungen zu veränderten Verordnungen und Ergänzungen in anderen Themenbereichen an. Entsprechend unklar waren am Dienstag vormittag die Analysen dessen, was konkret beschlossen wurde - auch weil die letztlich verabschiedeten Texte nicht vorlagen. Sie sollen erst im Laufe dieser Woche veröffentlicht werden. Laut einem Bericht des österreichischen Rundfunks ORF wurde die so genannte "Three Strikes"-Regelung aber zunächst abgelehnt. Denn diese Regelung galt auch im Europäischen Parlament als hochumstritten.

Und das, obwohl die französische EU-Präsidentschaft in Person von Ministerpräsident Sarkozy sich nochmals dafür stark gemacht hatte. Die österreichische Abgeordnete Eva Lichtenberger sagte gegenüber dem ORF, das französische Modell habe "eigentlich kaum wer wirklich haben" wollen. Die Richtung habe nicht gestimmt.

Die Idee für das neue Modell stammt aus Frankreich. Mitte Juni wurde der Gesetzentwurf ins Pariser Parlament eingebracht: Auf Betreiben einer Kommission, der ausgerechnet der Chef des Medienhandelsriesen FNAC vorsaß, die schwer unter Musik- und Filmpiraterie zu leiden hat, soll künftig gegen den illegalen Dateitausch im Internet mit deutlich härteren Strafen vorgegangen werden. Angedacht wurden nicht nur Bußgelder von mehreren Tausend Euro pro Vergehen. Notorischen Nutzern von Download-Diensten wie "Bittorrent", die inzwischen längst zu einem Massenphänomen geworden sind, droht sogar die Sperre des Netzzugangs - und damit womöglich der Entzug der Lebensgrundlage, sollte der Betreffende zum zunehmend größeren Heer der Wissensarbeiter gehören, die über das Internet ihrem Job nachgehen müssen.

Das "Three Strikes"-Gesetz sieht vor, nach insgesamt drei (auch eventuell kostenpflichtigen) Verwarnungen die Leitung ins Netz zwischen drei und 12 Monaten zu kappen. Nur gegen Zahlung einer "Transaktionsgebühr", wie es in einer Pressemitteilung des zuständigen französischen Kulturministeriums heißt, sei der Anschluss dann wieder herzustellen. Mit im Paket sind außerdem verschärfte Filtermaßnahmen gegen Raubkopien bei den Providern sowie eine insgesamt deutlich verstärkte Überwachung des Netzverkehrs. Ab Anfang 2009 könnte der Entwurf in Kraft treten - und seit er bekannt ist laufen sowohl Nutzerverbände, Bürgerrechtler als auch die Internet-Provider, die die Strafmaßnahmen umsetzen sollen, Sturm gegen das Vorhaben. "Das geht zu weit", heißt es etwa von der europaweit aktiven "Foundation for a Free Information Infrastructure" (FFII).

Neben "Three Strikes"-Plänen drohen notorischen Dateitauschern auch noch andere Strafverschärfungen. So diskutiert die G8 derzeit im Rahmen des Handelsabkommens ACTA, das sich gegen Produktfälschungen und Piraterie richtet, die Verletzung von Urheberrechten, Marken oder Patenten mit dem Diebstahl realer Güter gleich zu setzen. Zuvor waren bereits ACTA-Arbeitspapiere bekannt geworden, laut denen aus Grenzbeamten Copyright-Cops werden sollten - inklusive Durchsuchungsrechten von Laptops und Musikspielern bei der Ein- oder Ausreise. (In den USA und Kanada erfolgt dies stichprobenartig bereits, allerdings vor allem zur Jagd auf Terroristen und Päderasten.) Die Richtung, aus der der Wind weht, ist also klar: Der Internet-Piraterie soll endlich ein Riegel vorgeschoben werden. Besonders die Filmindustrie fürchtet, einen ähnlichen Niedergang durch das Internet zu erleben, wie das der Musikindustrie widerfuhr. Das Problem: Für viele Nutzer gehört der Dateitausch inzwischen einfach dazu - trotz aller Drohungen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

15 Kommentare

 / 
  • T
    Thomas

    Das Netz entwickelt sich immer mehr zur gigantischen Überwachungsmaschine: immer mehr Aktivitäten werden dorthin verlagert (Bank, Einkaufen, Kommunikation etc.), während die Anonymität und der Datenschutz unter dem Vorwand Terrorabwehr entweder freiwillig aufgegeben, oder von den Schäubles dieser Welt ausgehebelt wird. Terrorbrdrohung als Angstmacher wurde schon lange vor Bush jun und sen. von US-Präsidenten zur Reduzierung von Bürgerrechten u.a. benutzt (Siehe Chomsky, N. "Power and Terror").

     

    Lassen wir uns nicht länger eine Bedrohungsszenerie vorspielen und uns damit unsere bürgerlichen Grundrechte abnehmen! Das Problem sind nicht die überwachten kleinen Leute, das Problem dieser Welt sind die Mächtigen!

  • C
    clementine

    Der Vergleich hinkt:

     

    "Wenn ich ein Buch kaufe, und es anschließend an all meine Bekannten ausleihe"

     

    Die Parallele zu den Tauschbörsen wäre:

     

    Ich kaufe ein Buch, mache 100.000 Kopien davon und drücke es jedem gratis in die Hand, der es haben will.

  • Z
    Zoellner

    Da braucht man sich ueber EU-Verdrossenheit gar nicht zu wundern. Es ist einfach masslos. Zoll oder nicht aendert an der Unangemessenheit verdachtsunabhaengiger Kontrollen nichts. Zoll ist ausserdem dazu da, die Besonderheiten der verschiedenen Rechtsordnungen zu schuetzen, nicht die Gemeinsamkeiten. Oder sind die Kulturgueter der Privaten jetzt wie die Pest? Was kommt als naechstes?

  • A
    anke

    Da haben sie wohl wieder mal die Bibel aufgeschlagen und ein Gebot gefunden. Das Gebot hat gelautet: Du sollst nicht stehlen! Und weil sie nie so ganz genau begreifen, was sie zitieren, haben sie daraufhin das Wort Raubkopie erfunden. Dabei: Wenn ich ein Buch kaufe, und es anschließend an all meine Bekannten ausleihe, hat man mir daraus bis heute nie einen Vorwurf gemacht. Vielleicht, weil das Bücherverleihen schon seit der Erfindung der Schrift üblich ist. Nur Tauschbörsen gelten kurioserweise als Hehlermärkte. Obwohl nicht alles, was da angeboten wird, geklaut ist und obwohl keiner der Tauschenden reich wird dabei. Schade, dass schon wieder Welche um der Sicherung eigener alter Pfründe willen eine spannende Entwicklung abzuwürgen versuchen, deren positive Auswirkungen noch gar nicht richtig absehbar sind!

  • NW
    No Way

    Einfach absurd. Das alte Geschäftsmodell war sooo schön lukrativ, da verbieten wir doch einfach die neuen Möglichkeiten, die das Internet ermöglicht. Dabei sind doch Alternativen (legale noch dazu) in Hülle und Fülle in den Startlöchern. Diese Don Quichoterie beschleunigt bloß den Niedergang der bekannten Strukturen, der überteuerten Schrott an den Mann/die Frau bringen konnte. Der ganze Mist wird wohl nur unterstützt, weil er zufällig und nebenher auch die Überwachung der Bürger vereinfacht.

    Eigentlich gehörend die Typen, die solche Gesetze auf den Weg bringen, nicht nur wegen Unfähigkeit von ihren Aufgaben entbunden sondern selbst gestraft.

  • G
    Gastmann

    Diese Gesetzesvorhaben sind eine Unverschämtheit. Trotzdem hinkt man der aktuellen Entwicklung wie immer hinterher. Tauschbörsen wie Bittorrent sind schon lange nicht mehr das Mittel der Wahl.

  • C
    Christian

    Also entweder der Artikel lässt ein wichtiges Detail aus oder der Vorschlag ist bescheuerter als es sich in Worte fassen lässt. Bittorrent ist zum Beispiel eigentlich ein System, um Institutionen oder Privatpersonen, die sich nicht die Bandbreite leisten können, viele Leute mit großen Datenmengen zu versorgen, trotzdem zu ermöglichen, dies zu tun. Indem die Leute, die etwas herunterladen, gleichzeitig auch beim Hochladen helfen. Peer to peer eben. Daran ist aber auch mal so gar nichts illegal. Die Idee, dieses hervorragende Mittel für NGOs, freie Software, Graßwurzeljournalismus und eine Vielzahl anderer begrüßenswerter Unternehmungen jetzt mit Internetsperren für die Benutzer zu ahnden, lässt mich tatsächlich einigermaßen kochen.

     

    Wenn aber tatsächlich irgendeinem der Zuständigen für diese Pläne, aufgefallen sein sollte, dass „Tauschbörsen” nicht die Sündenpfuhle sind, als die sie von uninformierten oder politisch bedenklichen Medien gerne dargestellt werden, dann stellt sich unmittelbar die Frage der Durchführbarkeit: Wenn es so einfach wäre, illegale Inhalte ihren Verbreitern und Konsumenten zuzuordnen, warum laufen die dann noch zu Millionen auf deutschen Straßen herum, wo doch die Contentindustrie die Strafen bereits in absurde Höhen gelobbyt hat?

     

    Über den Vorschlag als solchen braucht man also vorerst nicht zu diskutieren. Entweder weil er eine antidemokratische Sauerei ist oder weil er nichts fundamental Neues bringt.

  • S
    Sven

    Der Analogie folgend hieße es aber, dass ein Ladendieb nirgendwo mehr einkaufen dürfte.

    Grundsätzlich finde ich es 1. gefährlich, materielle und immaterielle Güter miteinander gleichzusetzen. Und 2. stehen die Überwachungsmaßnahmen, die für eine staatliche Verfolgung der 'Downloader' nötig wären in keinem Verhältnis zur Tat.

    Ich hoffe sehr, dass am Beispiel der schwedischen Datenüberwachung bald klar wird, wie sehr dieser Umstand die Kommunikation unserer heutigen Gesellschaft behindert und von weiteren Verschärfungen der Überwachung abgesehen wird.

  • SI
    schadenfroher indie

    es ist immer wieder schön zu beobachten, wie die Musikindustrie (SONY; EMI; UNIVERSAL...) ihr wohlverdientes und selbstgeschaufeltes grab immer tiefer gräbt und die beleidigte leberwurst spielt...

     

    Hallo Musikindustrie!! braucht euch noch jemand???

    ihr seid nicht mal einen furz von Madonna wert, wenn eh schon alle ihr pophistorisches Interesse auf (externen) XXXGB-Festplatten festhalten.

     

    trotzdem kaufe ich noch viel platten, aber ungern von "abmahnanwälten und copyrightmanagern"

  • M
    Michel

    Darum geht es, darum die Computerüberwachung, da verschwendet die G8 wertvolle Energie.

     

    Energie die sie einsetzen müsste gegen die Abzocke aus allen Lagern.

    Hätten die Menschen mehr Geld in der Tasche, würden sie mehr in Medien investieren.

     

    Ausserdem ist die Qualität vieler Produkte nur noch suboptimal.

    Da lohnt nicht einmal das downloaden.

  • MS
    Markus Stein

    Interessanter Artikel, leider wurde nicht recht klar ob mit "notorischer Nutzung von File-Sharing-Programmen" auch das legale herunterladen von Open-Source-Software über BT gemeint ist. Denn eine Filterung durch Provider könnte ja höchstens Ports, die von FS-Programmen benutzt werden überprüfen. Eine inhaltliche "Überprüfung" wäre nicht nur sehr aufwendig - sondern Zensur. Und die findet, auch wenn das Herr Schäuble nicht gerne hört, laut Grundgesetz "nicht statt". Aber praktischerweise gilt die Grundrechtecharta auf EU-Ebene ja noch nicht, und dank der Iren wird sie wohl nie in Kraft treten. Das heisst das EU-Parlament kann fröhlich Lobbywünsche abnicken, Berlin muss sie umsetzen und Karlsruhe schaut hilflos zu (Siehe Vorratsdatenspeicherung). Schöne neue Welt!

  • R
    rodriguez

    ein paar "schlaumeier" ...

    diesen kampf werden sie wohl verlieren,

    weil ihr gegner (diesmal die internetjugend) technisch viel viel versierter ist und auch bleibt.

    wird alles bestraft, findet es eben verschlüsselt im geheimen statt, in kleineren gruppen, unkontrollierbar.

    dies werden langfristig nicht nur die bösen tauschbörsenbenutzer anwenden, sondern auch wirklich schwer kriminelle.

    soll dann das verschlüsseln verboten werden?

    klar! wer nichts zu verbergen hat ...

    schlimm, wenn politik von korrupten dummköpfen gemacht wird, die es drauf haben, mist als gold zu verkaufen (was zum glück nicht immer der fall ist).

  • J
    Jogi

    Schön mit ansehen zu müssen wie die Bürger darunter leiden müssen, dass die Musik und Filmindustrie mit enormen Finanzaufwand(Schmiergeldzahlungen sind in Brüssel ja an der Tagesordnung) genau die Art von Bestrafung schafft die sie schon immer gewollt hat. Das Firmen wie Sony durch den Absatz von MP3 Playern u.a. gleichzeitig riesengewinne einfährt reicht denen halt nicht, die wollen ihr Monopol zurück, Preise diktieren und den Verbraucher entmündigen. Das man mit seinem Eigentum (einer gekauften Cd) nicht machen kann was man will(sie z. B. auch rippen) ist der eigentliche Skandal. Drakonische Strafen werden das Problem nicht lösen, sondern nur die Fronten verhärten. Wenn solche Gesetze noch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen sollen, dann brauchen wir keinen Vertrag von Lissabon mehr, um uns von unserem geliebten Grundgesetz zu verabschieden. Das Interesse der Lobby ist eben höher als das der eigenen Bevölkerung. Beenden werden solche Maßnahmen den Spuk jedenfalls nicht, die User werden sich halt andere Möglichkeiten suchen, und die gibt es ja genug...

  • HR
    Heide Ruehle

    Ich weiss nicht auf welche Informationen sie sich beziehen, mit den Debatten und Abstimmungen im Europarlament haben sie jedenfalls wenig zu tun. Wir haben eindeutig in den beiden federführenden Ausschüssen ITRE und IMCO am Montagabend die französische Lösung abgelehnt. Sie hat bei uns jedenfalls keinerlei Basis mehr

    Heide Rühle

    MdEP

  • DP
    der prolet

    Finde ich gar nicht so schlecht.

    Wie auch in Einkaufsläden Detektive und andere Schutzmaßnahmen vorhanden sind oder auf der Autobahn die Verkehrsregeln eingehaltet werden müssen, so muss auch das Internt besser geschützt werden vor Dieben.