EU-Sanktionen gegen Iran: Die Ölpipeline wird zugedreht
Wie schmerzhaft die Ölwaffe sein kann, wissen die Europäer spätestens seit der Ölkrise von 1973. Nun versucht es die EU mal andersrum: Sie will kein Öl mehr aus dem Iran.
BRÜSSEL dpa | Seit gut sieben Jahren schon streitet die internationale Gemeinschaft mit dem Iran um das Atomprogramm Teherans. Nun sucht die Europäische Union (EU) das Öl als Waffe gegen den Iran einzusetzen. Vom 1. Juli an gilt ein Stopp für alle Öllieferungen aus dem Gottesstaat. Damit verschärft die EU, unterstützt von den USA, die Gangart im Atomstreit.
Bisher hat die „Doppelstrategie“ der EU, die in dieser Frage auch im Namen der fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates und Deutschlands die Verhandlungen mit Teheran führt, wenig Greifbares gebracht.
Gespräche zwischen der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton und dem iranischen Atom-Chefunterhändler Said Dschalili in Istanbul, Bagdad und zuletzt in Moskau führten zu nichts.
Am 3. Juli steht in Istanbul ein möglicherweise letzter Versuch bevor: Dann sollen Experten miteinander sprechen. „Wir glauben, dass es möglicherweise Unklarheiten über einige sehr technische Fragen gibt“, sagt ein EU-Diplomat.
Gesprächsbereitschaft einerseits, Druck andererseits: Die EU hat ein breites Bündel von Sanktionen in Kraft – von Einreiseverboten über Technologiestopps bis hin zu Verboten für iranische Schiffe in EU-Häfen. Und nun tritt ein Ölembargo in Kraft.
Die Erwartungen
Die EU hofft, dass dieses den Iran stärker treffen wird als die Europäer. Und dass die wirtschaftlichen Einbußen so unangenehm sein werden, dass Teheran die bisherige Hartleibigkeit in den Atomverhandlungen überdenken könnte.
Knapp ein Viertel der 2,4 Millionen Barrel (1 Barrel = 158,9 Liter) Öl pro Tag, die der Iran exportiert, gingen bisher in die Länder der EU. Dort sei der Anteil iranischen Öls verzichtbar, befanden die EU-Experten: Sie stellen nur 5,7 Prozent der gesamten EU-Einfuhren dar.
Allerdings ist der Anteil an den Einfuhren anderer Länder – vor allem in Griechenland, Italien und Spanien – höher. Athen kaufte auch zu besonders günstigen Preisen ein: Deswegen mühte sich die EU seit dem Beschluss des Ölembargos vom Januar, den Griechen Garantien dafür zu geben, dass sie auch künftig genug Öl bekommen.
Neue Abnehmer
Der Iran hat sich in den vergangenen Monaten bemüht, den Ausfall der EU-Kundschaft durch verstärkte Lieferungen an die traditionell wichtigen Länder Asiens zu kompensieren: Allen voran China und Indien, gefolgt von Japan und Südkorea.
So akzeptiert Teheran jetzt auch indische und chinesische Landeswährung als Bezahlung, um damit Waren in diesen beiden Ländern einzukaufen.
Besonders lästig ist dabei, dass die EU auch den Versicherungsunternehmen verbot, Tanker zu versichern, die Öl aus dem Iran transportieren. Indien und China ließen das Mullah-Regime daher wissen, sie könnten Öl nur noch kaufen, wenn der Iran selbst dafür sorge, dass die Schiffe versichert seien.
Kein Öl nach Südkorea
Südkorea teilte mit, es werde vom 1. Juli an kein Öl mehr aus dem Iran beziehen, weil es keinen Versicherer mehr für die Schiffe geben.
„Wir wollen, dass der Iran versteht, dass wir ernsthafte Sorgen hinsichtlich seines Atomprogramms haben“, sagt Ashton. Und der deutsche Außenminister Guido Westerwelle sagte in Brüssel: „Wir werden so lange von der Sanktionspolitik nicht abrücken, bis wir erkennen können, dass auch tatsächlich substanzielle Gespräche (über den Atomkonflikt) geführt werden.“
Dieser Position werde man „mehr Nachdruck verleihen durch die beschlossenen Sanktionen, auch durch die neuen Sanktionen“. Was er damit meint? „Es gibt natürlich verschiedene Sanktionsmöglichkeiten, über die ich aber heute nicht spekulieren will.“ (Dieter Ebeling)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Kanzlerkandidat-Debatte
In der SPD ist die Hölle los
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Abschluss G20-Gipfel in Brasilien
Der Westen hat nicht mehr so viel zu melden
CDU-Politiker Marco Wanderwitz
Schmerzhafter Abgang eines Standhaften