EU-Russland-Gipfel: Keine Fortschritte mit Moskau

Beim EU-Russland-Gipfel soll das Partnerschaftsabkommen stillschweigend verlängert werden, weil sich beide Seiten nicht über ein Folgeabkommen einigen können.

Gefälliger Gipfel? Putin hat ein Mittagessen, Familienfoto und einen Ausstellungsbesuch vor sich. Bild: dpa

BRÜSSEL taz Nur zwei Stunden wird die Arbeitssitzung von Russlands Präsident Wladimir Putin mit den Vertretern der Europäischen Union am Freitag in Mafra bei Lissabon dauern. Der Rest des EU-Russland-Gipfels ist mit Mittagessen, Familienfoto und Ausstellungsbesuch verplant. Zwei Abkommen sollen feierlich unterzeichnet werden - eins über Handelserleichterungen bei der Einfuhr russischer Stahlprodukte, das andere über Kooperation bei der Drogenbekämpfung.

Dabei hätten beide Seiten Wichtigeres zu besprechen. Im November läuft das Partnerschafts- und Kooperationsabkommen aus, das seit 1997 besteht. Nun soll es stillschweigend verlängert werden, weil die Verhandlungen über ein Folgeabkommen feststecken. Die EU will, dass Russland die Energiecharta ratifiziert, in der sich Moskau zu freiem Wettbewerb, Transparenz und Gleichbehandlung ausländischer Investoren auf dem Energiemarkt verpflichten würde. Russland zögert, diese Garantien zu geben, und kritisiert gleichzeitig die neue europäische Energiestrategie, die Moskau als protektionistisch bewertet.

Mitte September hatte die EU-Kommission ein neues Gesetz vorgeschlagen, mit dem die Gas- und Strommärkte liberalisiert werden sollen. Es beinhaltet strenge Auflagen für Energielieferanten aus Ländern außerhalb der EU. Wenn sie sich ins europäische Gas- oder Stromnetz einkaufen wollen, müssen sie dieselben Regeln beachten wie europäische Stromkonzerne, dürfen also nicht gleichzeitig Mehrheitseigner eines Stromerzeugers und eines Netzes sein. Zusätzlich muss das Mutterland des Konzerns ein Abkommen mit der EU unterzeichnen, in dem es sich zur Einhaltung der europäischen Spielregeln verpflichtet.

Bei der zurzeit stattfindenden Internationalen Energiewoche in Moskau versuchte Energiekommissar Andris Piebals für die Haltung der EU zu werben. Schließlich liefert Russland mehr als ein Viertel des in der EU verbrauchten Erdgases und Erdöls. "Ich denke es ist offensichtlich, dass alle Unternehmen die selben Regeln respektieren müssen, egal woher sie kommen. Sowohl für die EU als auch für Russland ist es extrem wichtig, dass Unternehmen wie Gazprom eine gleichberechtigte und aktive Rolle in den wettbewerbsfähigen europäischen Energiemärkten spielen."

Europäische Gipfelteilnehmer wie Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner sagten vor der Abreise nach Portugal ganz offen, dass sie sich nur geringe Fortschritte von dem Treffen erwarten. Zu lang ist die Liste der Streitfragen. Polen will erst dann über das Partnerschaftsabkommen verhandeln, wenn Russland den Importstopp für polnisches Fleisch aufhebt. Russland wiederum fühlt sich vom geplanten US-Raketenabwehrschild auf polnischem und tschechischem Boden bedroht. In der EU hofft man, dass die neue polnische Regierung, wie von Wahlsieger Donald Tusk angekündigt, die Beziehungen zu Russland verbessern wird. Sorge bereitet auch, dass Polen ein Autonomiestatut für das Kosovo blockiert und im Atomstreit mit Iran die europäische Haltung nicht unterstützt.

Mehrere EU-Abgeordnete mahnten vor dem Gipfel, die EU dürfe nicht aus wirtschaftlichen Interessen die Menschenrechtsfrage aussparen. Graham Watson, der Vorsitzende der Liberalen, kritisierte das neue russische Wahlgesetz. Es lasse mit seiner Siebenprozenthürde den Oppositionsparteien keine Chance, in die im Dezember neu zu wählende Duma einzuziehen. Internationale Wahlbeobachter wolle Moskau nicht ins Land lassen, die Informationsfreiheit sei nicht gewährleistet. "Die Risse zwischen der EU und Russland sind inzwischen so tief, dass wir nicht wissen, wie eine Partnerschaft basierend auf gemeinsamen Werten aussehen soll."

Sein Fraktionskollege, der polnische EU-Abgeordnete Bronislaw Geremek, ergänzte: "Rechtsstaatlichkeit wäre eine Grundvoraussetzung für eine strategische Partnerschaft. Das bedeutet unabhängige Gerichte, Freiheit der Medien und wirtschaftliche Freiheit, insbesondere, dass Geschäftsleute nicht willkürlich eingesperrt werden." Der deutsche Abgeordnete Milan Horacek (Grüne) erinnerte daran, dass gestern vor genau vier Jahren der russische Unternehmer Michail Chodorkowski verhaftet wurde. "Während sich die Handels- und Wirtschaftsbeziehungen zwischen Russland und der EU relativ gut entwickeln, gerät die Achtung der Menschenrechte in den Hintergrund."

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.