EU-Reaktionen auf Beschneidungs-Urteil: Verbot undenkbar
Das deutsche Urteil hat auf EU-Ebene eine Diskussion ausgelöst, fällt aber aus der Reihe. Sollte es nicht revidiert werden, könnte es in Brüssel landen.
BRÜSSEL taz | Bisher gibt es keine EU-weite Regelung des Umgangs mit religiösen Beschneidungen, und bis zu dem umstrittenen Urteil des Kölner Richters war dies auch kein Thema in den europäischen Institutionen in Brüssel. Das könnte sich durch die Diskussion über das deutsche Urteil ändern, meint der gesundheitspolitische Sprecher der konservativen EVP-Fraktion, Peter Liese: „Wenn das Urteil nicht revidiert wird, könnte das ganz schnell hier in Brüssel landen“, sagt der Abgeordnete, der selbst auch Arzt ist.
In Finnland gibt es bereits eine ähnliche Diskussion wie in Deutschland, nachdem auch dort Gerichte Eltern wegen Beschneidungen verurteilt hatten. Allerdings ist das Parlament noch zu keinem Gesetzentwurf gekommen. In anderen europäischen Ländern sei eine solche Auseinandersetzung kaum vorstellbar, meint Gesundheitsexperte Liese. Gerade in Ländern wie Frankreich, in denen die jüdische und die muslimische Glaubensgemeinschaft viel größer sind als in Deutschland, rechnet er mit Widerstand.
In Frankreich ist die religiös motivierte Beschneidung ohne medizinische Gründe nicht explizit erlaubt, aber auch nicht gesetzlich verboten. Es gebe zwar theoretisch einen Artikel im Strafgesetzbuch, der Handlungen untersagt, die die Integrität des menschlichen Körpers verletzen, aber bisher wurde dieser noch nie in Zusammenhang mit religiösen Beschneidungen gebraucht. Ähnlich ist die rechtliche Lage auch in Belgien und Holland. Auch hier gibt es kein Verbot von Beschneidungen, wenn sie von Ärzten durchgeführt werden. In Belgien bezahlt die Krankenkasse die Operation, wenn sie in Krankenhäusern durchgeführt wird. 2010 waren das fast 25.000 Fälle.
In Großbritannien hat sich die jüdische Gemeinschaft eigene Regeln gesetzt: Die Beschneider werden dort streng von den Rabbinern kontrolliert. „Sie bekommen eine Ausbildung und müssen sich registrieren lassen. Nur sie haben dann das Recht, Beschneidungen vorzunehmen“, erklärt Philip Carmel, Sprecher der Konferenz der europäischen Rabbiner.
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