EU-KOMMISSION KLAGT GEGEN FINANZMINISTER – REFORMEN WÄREN BESSER : Weil Bock und Gärtner identisch sind
Der Stabilitätspakt ist eine seltsame Angelegenheit. Wenn es einem Land finanziell richtig schlecht geht und es nur noch Schulden hat, wenn es deshalb auch alle Defizitkriterien der EU nicht mehr einhalten kann, dann soll es zur Strafe noch mal einige Milliarden Euro nach Brüssel überweisen. Das geht an die Substanz. Kein Wunder also, dass alle klammen Finanzminister – Hans Eichel inklusive – versuchen, bereits den Vorstufen zu solchen Sanktionen aus dem Weg zu gehen. Und letztlich wollen auch die Handelspartner klammer Länder einen der Ihren vor Milliardenlasten schützen.
Deshalb war es auch eine komische Idee, ausgerechnet den Rat der klammen Finanzminister entscheiden zu lassen, wer bei Überschuldung Strafe zahlen muss und wer nicht. Tatsächlich sind Bock und Gärtner hier identisch. Deshalb ist es auch völlig verständlich, wenn die Kommission als selbst erklärte Hüterin der Geldwertstabilität nun um jeden Zipfel Einfluss kämpft. Zweitrangig ist dabei aber, ob die gestern beschlossene Klage gegen den Rat letzlich erfolgreich sein wird oder nicht. Denn wenn Währungskommissar Pedro Solbes den Rechtsstreit gewänne, hätte er kaum mehr Macht als heute. In erster Linie geht es der Kommission um ein Symbol. „Wir kämpfen um den Stabilitätspakt“, will sie uns und den Finanzministern sagen.
Besser wäre aber eine Strukturreform, bei der alle das bekommen, was sie brauchen. Die EU-Regierungen wollen mehr Haushaltsflexibilität, insbesondere in Krisenzeiten. Deshalb müssten die strengen Defizitkriterien etwas gelockert werden. Die Kommission könnte dagegen mehr Einfluss bei der Haushaltskontrolle erhalten und diese effizienter machen. Denkbar wäre etwa, dass die Kommission blaue Briefe künftig selbst verschickt und Sanktionen beim Europäischen Gerichtshof beantragt statt wie bisher beim Rat. Dies wäre zwar eine weitere Stufe zur Entdemokratisierung der Fiskalpolitik. Aber solange es eine unabhängige Europäische Zentralbank gibt, wäre das nur konsequent. Wer Währungsstabilität für unwichtig hält, braucht sich dagegen über eine Reform des Stabilitätspaktes wenig Gedanken zu machen. Die Abschaffung der Defizitkontrolle würde genügen. Doch das zu fordern, traut sich niemand. CHRISTIAN RATH