EU-Gipfel bis Mittwoch verschoben: Europa wird später gerettet
Der EU-Gipfel, auf dem über das Vorgehen in der EU-Schukdenkrise entschieden werden sollte, ist um drei Tage verschoben worden. Grund ist ein Streit zwischen Deutschland und Frankreich.
BERLIN dapd/dpa | Die Fraktionen von Union und FDP haben am Freitagmorgen über mögliche Risiken bei einer Hebelung des erweiterten europäischen Rettungsschirms EFSF beraten. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) informierte die Abgeordneten der schwarz-gelben Koalition über den Stand der Verhandlungen in der europäischen Finanzkrise.
Die beiden Fraktionen waren am Freitagmorgen zu Sondersitzungen zusammengekommen. Nach Angaben von Teilnehmern des Unionstreffens signalisierte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) außerdem einen höheren Schuldenschnitt für Griechenland als bisher geplant.
Ursprünglich sollte bei einem EU-Gipfel am Sonntag in Brüssel über eine Hebelung des EFSF und über das weitere Vorgehen in der europäischen Schuldenkrise abschließend entschieden werden. Merkel wollte dazu am Freitag eine Regierungserklärung abgeben. Doch eine deutsch-französische Einigung kam bis Donnerstag nicht zustande, sodass die entscheidenden Papiere dem Deutschen Bundestag nicht rechtzeitig vorlagen.
Zentraler Streitpunkt ist der sogenannte Hebel für den Rettungsschirm EFSF. Mit einem Hebel-Mechanismus könnte die Finanz- und Schlagkraft des Fonds tatsächlich deutlich erhöht werden: Nach dem derzeit diskutierten Modell würde der Fonds nur einen Teil frischer Staatsanleihen kriselnder Euro-Länder versichern, aber nicht zu 100 Prozent garantieren.
Davon könnten Länder mit angeschlagenem Ruf wie Spanien und Italien profitieren, denn die Botschaft der Hebel-Lösung wäre: Der Fonds ist auch stark genug für große Volkswirtschaften.
Die Bundeskanzlerin muss in der Frage des Hebels auch Rücksicht auf die deutsche Gesetzeslage nehmen: Der Haushaltsausschuss muss grünes Licht für die Rettungsschirm-Leitlinien - also die künftigen Spielregeln des Fonds - geben. Eine Zustimmung sei aber nicht möglich, da die Brüsseler Verhandlungen eben noch nicht abgeschlossen seien, hieß es weiter.
Nun wird es am Sonntag ein Vorbereitungsgipfel der europäischen Staats- und Regierungschefs geben, bevor dann nächste Woche bei einem weiteren Treffen Beschlüsse zustande kommen sollen. Merkels Regierungserklärung im Bundestag wird wohl am Mittwoch stattfinden. Die Zeit drängt, weil neben der prekären Lage Griechenlands, beim G20-Gipfel am 3. und 4. November in Cannes auf internationaler Ebene verbindliche europäische Beschlüsse beraten werden sollen.
Bundestag soll nur diskutieren
Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) sagte vor der Sitzung, es sei wichtig, dass sich das deutsche Parlament mit den Inhalten beschäftigt, "bevor auf europäischer Ebene Entscheidungen fallen". Das sei auch die Überzeugung der Kanzlerin. Er begrüße, dass am Sonntag in Brüssel zunächst ein Vorbereitungssgipfel stattfinde. Dies biete dem Parlament genügend Zeit zu Beratungen.
Das Gremium der Entscheidung sei aber der Haushaltsausschuss und nicht das Plenum, sagte Kauder weiter. Er machte deutlich, dass die Bundesregierung ohne dieses Mandat des Parlaments keine Handlungsmöglichkeit habe. Er betonte, der festgelegte deutsche Haftungsrahmen von 211 Milliarden Euro dürfe nicht überschritten werden.
Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel nannte es dramatisch, dass es bislang keine Einigung der europäischen Regierungen gebe. Auch SPD-Haushälter Carsten Schneider kritisierte die Regierung scharf. Die Koalition habe sich bereits bei der Abstimmung über den EFSF nicht getraut, "der Öffentlichkeit die Wahrheit zu sagen". Die Haftungssumme von 211 Milliarden sei zu gering angesetzt worden. Er betonte, über das gesteigerte Risiko bei einer Hebelung des EFSF müsse sich erneut das gesamte Parlament befassen, "und nicht der Haushaltsausschuss in einer Geheimsitzung".
Auch der CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach, der gegen den EFSF gestimmt hatte und deswegen von Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) beschimpft worden war, sprach sich für eine Plenarbefassung aus. Zwar sei für eine Zustimmung formal nur der Haushaltsausschuss zuständig, da der Haftungsrahmen nicht überschritten werde, aber "unter politischen Gesichtspunkten müsse es eine Entscheidung aller Parlamentarier geben".
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