EU-Agrarsubventionen am falschen Ende: Milchkonzerne sahnen ab
Allein die Molkerei Nordmilch streicht im Jahr 2009 gut 51 Millionen Euro ein. Für Oxfam ein "Skandal", denn dies geschehe auf Kosten der Entwicklungsländer.
BERLIN taz | Der größte Empfänger von EU-Agrarsubventionen in Deutschland war im Haushaltsjahr 2009 der Molkereikonzern Nordmilch: Der Marktführer erhielt 51,15 Millionen Euro. Das hat die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung am Montag auf ihrer Internetseite www.agrar-fischerei-zahlungen.de mitgeteilt.
Da die Milchpreise in der Europäischen Union stark gesunken waren, subventionierte sie nach einer mehrjährigen Pause ab Januar 2009 wieder Ausfuhren von Molkereiprodukten. So kann zum Beispiel europäisches Milchpulver unter den Herstellungskosten ins Ausland verkauft werden. Das soll den Markt in Europa entlasten, sodass die Preise und damit die Einnahmen der Landwirte steigen.
Die Molkereien gehörten jedoch zu den "Hauptprofiteuren" dieser europäischen Milchpolitik, kritisierte die Agrarexpertin der Entwicklungsorganisation Oxfam, Marita Wiggerthale. Nordmilch habe den Bauern sehr niedrige Milchpreise gezahlt, meint sie - und "gleichzeitig bei den Exportsubventionen dick abgesahnt". Für die Aktivistin ist das "ein Skandal". Das Unternehmen wies die Vorwürfe zurück. Dank der Beihilfen habe es den Milchpreis für die Landwirte bei mehr als 21 Cent pro Kilogramm halten können. So habe die EU "das Überleben tausender Milchbauern in Deutschland mit gesichert". 21 Cent pro Kilo decken, so sagen Bauern, allerdings nicht die Produktionskosten.
Der Staat zahlt das Geld nicht an Bauern, sondern an Firmen, die die Produkte exportieren - etwa an den Hamburger Milchhändler Eximo Agro-Marketing. Er steht mit 14,84 Millionen Euro auf Platz vier der Empfängerliste, gefolgt von der Großmolkerei Omira Oberland-Milchverwertung (12,64 Millionen Euro). Auch die Zuckerexporteure haben 2009 wieder hohe Subventionen bekommen: 42,90 Millionen Euro gingen an Europas größten Zuckerhersteller, die Südzucker AG. Konkurrent Pfeifer & Langen erhielt 17,47 Millionen Euro. Laut Oxfam gehen die EU Exportsubventionen - 2009 waren es insgesamt 650 Millionen Euro - auf Kosten der Entwicklungsländer. Schließlich könnten diese Staaten ihre Bauern nicht subventionieren.
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