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EU-Afrika-GipfelDer peinliche Partner

Afrika und Europa wollen in Lissabon eine gleichberechtigte Partnerschaft einläuten. Doch weil Simbabwes Diktator Mugabe kommt, bleiben einige EU-Regierungschefs fern.

Hat für Streit gesorgt: Simbabwes Diktator Mugabe Bild: dpa

BRÜSSEL taz Es kommt nicht alle Tage vor, dass ein Politiker sein eigenes Arbeitsfeld in Frage stellt. In China sei der Handelsminister für Entwicklungszusammenarbeit zuständig, sagte Louis Michel, der Hüter des weltweit größten Entwicklungshilfebudgets, vergangene Woche in kleiner Runde. Bis dahin war der belgische EU-Kommissar, der schwer am kolonialen Erbe seines Landes trägt, nicht durch kritische neue Ideen aufgefallen. Doch nun mahnt er, die Welt dürfe nicht länger in Geber- und Empfängerländer eingeteilt werden - das erzeuge Reflexe, "die je nach Perspektive paternalistisch oder mitleidheischend sind".

Beim EU-Afrika-Gipfel, der Freitagabend in Lissabon beginnt, wollen Afrikaner und Europäer ein neues Kapitel aufschlagen und endlich den Dialog zwischen gleichberechtigten Partnern beginnen. Der Vorsatz ist wahrlich nicht neu. Doch veränderte Rahmenbedingungen könnten dafür sorgen, dass er jetzt größere Chancen hat. Seit andere Mitspieler im globalen Wettbewerb den afrikanischen Kontinent mit begehrlichen Blicken betrachten, steigt einerseits seine Wertschätzung in Europa, andererseits stellen die Europäer leicht säuerlich fest, dass Chinesen, Inder oder Brasilianer nichts zu verschenken haben.

Mugabe vs. Brown

Simbabwes Präsident Robert Mugabe ist seit 2002 mit EU-Einreiseverbot belegt. Deswegen hat es seit dem bisher einzigen EU-Afrika-Gipfel 2000 in Kairo kein weiteres Nachfolgetreffen mehr gegeben. Diesmal aber verschickte die portugiesische EU-Ratspräsidentschaft Einladungen zum Gipfel nach Lissabon an alle Länder der EU und Afrikas - auch an Simbabwe.

Großbritanniens Premierminister Gordon Brown hatte im September angekündigt, nicht zu kommen, wenn Mugabe kommen darf. Mehrere Staaten des südlichen Afrika drohten ihrerseits mit Gipfelboykott, sollte die EU Mugabe ausladen. Afrika hat sich durchgesetzt: Mugabe kommt, Brown nicht, und voraussichtlich bleiben auch die Regierungschefs von Tschechien, Litauen und der Slowakei zu Hause.

Grund für die Kritik an Mugabe ist, dass er Simbabwe durch seine Politik in die weltweit schwerste Krise eines Landes ohne Krieg geführt hat. Simbabwes Volkswirtschaft ist kollabiert, drei Millionen Menschen sind ins Ausland geflohen, fast eine Million sind heute Binnenflüchtlinge. Hilfswerke sprechen von einer Todesrate infolge von Unterernährung und Entkräftung wie in Darfur.

DOMINIC JOHNSON

Die afrikanischen Unterhändler schätzen an ihren neuen Partnern, dass die weniger belehrend auftreten und sich in interne Angelegenheiten wie Menschenrechtsfragen oder Korruptionsbekämpfung nicht einmischen. Das bringt die Europäer in eine schwierige Lage. Sollen sie moralische Standards über Bord werfen, oder sollen sie sie beibehalten und so riskieren, im Wettbewerb um Afrikas Ressourcen und Märkte abgedrängt zu werden?

Beim Gipfel in Lissabon, wo zum ersten Mal Vertreter der 2002 gegründeten Afrikanischen Union und der schon bejahrten Europäischen Union aufeinandertreffen werden, will es die EU mit einem selbstbewussten Mittelweg versuchen. Man ist bereit, von strengen moralischen Maßstäben abzurücken, um im Gespräch zu bleiben. Zimbabwes Diktator Mugabe und Sudans ethnischer Säuberer al-Bashir werden mit am Tisch sitzen.

Das ist Pragmatismus nach chinesischem Vorbild. Doch auch Pekings Toleranz hat Grenzen. Denn China stellt seinen Partnern sehr wohl politische Bedingungen und setzt sie im Gegensatz zur EU sogar durch. Zum afrikanisch-chinesischen Gipfeltreffen vor einem Jahr in Peking erhielten nur jene AU-Mitglieder eine Einladung, die Taiwan nicht als eigenen Staat anerkennen. Die Gäste akzeptierten dies und reisten trotzdem an.

Gegen Bevormundungsversuche aus Europa ist man in Afrika aus leidvoller Erfahrung besonders empfindlich. Doch die gemeinsame Geschichte bietet auch Chancen. Mit sprachlichen und kulturellen Gemeinsamkeiten hofft Europa gegenüber den Konkurrenten zu punkten. Es sei Zeit, das Bild vom "problembeladenen Kontinent" zu revidieren und den "Afro-Pessimismus" durch ein realistisches Bild zu ersetzen, fordert EU-Kommissar Louis Michel.

Die Zahlen geben ihm recht: Das vierte Jahr in Folge weist der Kontinent ein reales Wachstum von fünf Prozent auf. Dennoch ist Afrikas Anteil am Welthandel seit den 80er-Jahren von fünf auf zwei Prozent zurückgegangen. Der Kontinent zieht nur 1,8 Prozent aller im Ausland getätigten Investitionen an. Nicht nachhaltiges Wirtschaften, sondern Ausverkauf der Bodenschätze begründen den neuen Reichtum. Zehn Prozent der weltweiten Ölvorräte, 90 Prozent der Vorkommen an Platin, Kobalt und Chrom lagern in afrikanischem Boden. Die USA bemühen sich gerade, ihre Ölimporte aus Afrika von 16 Prozent des amerikanischen Bedarfs auf ein Viertel zu steigern. Doch vor allem China steigt in großem Stil ein.

Ein eindrucksvolles Beispiel für die Dimensionen liefert Belgiens ehemalige Kolonie Kongo: Fünf Milliarden Dollar an Krediten sicherten die Chinesen der Regierung Kabila im September zu, davon drei Milliarden für Eisenbahnlinien, Wohnungen, Krankenhäuser und zwei Milliarden für kongolesisch-chinesische Minen- und Ölförderprojekte.

Michel fürchtet, dass die Afrikaner vor lauter Freude über die China-Dollars ihre wahren Freunde vergessen könnten. "Seit 40 Jahren ist Europa der größte Geber öffentlicher Entwicklungshilfe. Eine Hilfe in Form von Spenden, nicht von Krediten", sagt er mahnend an die Adresse der Afrikanischen Union. Es könne nicht angehen, dass die EU auf Steuerzahlers Kosten Afrika Schuldennachlass gewähre und der Kontinent zugleich bei den Chinesen in die nächste Schuldenfalle tappe. Es sei auch nicht gerecht, dass Länder wie Belgien mit Spitzensteuersätzen von 50 Prozent Entwicklungshilfebudgets finanzierten, die dann in Länder flössen, in denen nur 14 Prozent Steuern gezahlt würden. Das mache die Reichen noch reicher, während Schulen und Krankenhäuser auf Spendengelder angewiesen seien.

Der Umgangston zwischen Europäern und Afrikanern könnte also künftig ehrlicher werden. Beide Partner fragen nun ganz offen, welchen Vorteil sie aus den Beziehungen ziehen können. Keine schlechte Voraussetzung dafür, künftig auf Augenhöhe miteinander zu sprechen - vielleicht schon dieses Wochenende auf dem EU-Afrika-Gipfel in Lissabon.

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