ESBL-Infektion: Frühchen-Skandal vertuscht
Bereits Ende April gab es das erste mit dem Darmkeim infizierte Frühchen im Bremer Klinikum Mitte. Offenbar verschwieg die Klinik ihr Hygiene-Problem.
Vor gut einer Woche musste Bremens Gesundheitssenatorin Renate Jürgens-Pieper (SPD) der Presse mitteilen, dass seit dem Juli der gefährliche Darmkeim ESBL ausgerechnet auf der "Level-1"-Intensivstation für Frühgeburten wüte. Bis Ende Oktober sei der Keim bei 15 Kindern gefunden worden, drei davon seien gestorben.
Gestern wurde wieder zu einer überstürzten Pressekonferenz geladen, um die alte Aussage zu korrigieren: Schon am 30. April sei die erste Infektion eines Kindes mit diesem Keim auf dieser Station festgestellt worden. Bis zum Juli seien es fünf infizierte Kinder gewesen, zwei davon erkrankten.
Diese Nachricht wirft die Frage auf, warum die Klinik nicht schon damals die Aufsichtsbehörden informierte und die Maßnahmen einleitete, die Anfang November von der Gesundheitsbehörde verfügt wurden. Auf diese Frage hat auch Diethelm Hansen, der Leiter des kommunalen Klinik-Verbundes "Gesundheit Nord", keine Antwort. Dass im Juli der erste Fall aufgetreten sei, sei "der Informationsstand im Klinikum" in der vergangenen Woche gewesen, erklärte er auf die Frage, wer ihn so falsch informiert habe.
Der Leiter der Professor-Hess-Kinderklinik und verantwortliche Hygieniker für das gesamte Klinikum, der Kinderarzt Professor Hans-Iko Huppertz, hatte am Dienstag noch in einem Zeitungsinterview zu dem Fall vom Juli erklärt: "Zunächst hatten wir nur einen Fall. Da war klar: Wir müssen aufpassen. Eine Infektion mit ESBL kann passieren." Nach der gestrigen Nachricht trat Huppertz von seiner Funktion als Hygieniker zurück. Offenbar waren die ersten Infektionen auf der Frühchen-Station nicht nur dem Bremer Gesundheitsamt, sondern auch Huppertz verschwiegen worden.
"Nicht in Ordnung" sei das gewesen, erklärte Hansen gestern dazu, und räumte ausdrücklich "Fehler" ein. Ob die Identifikation eines solch gefährlichen Keimes nicht entsprechend dokumentiert werde, konnte er nicht sagen. Die Abläufe, die zu der Informationspanne geführt haben, sollen überprüft werden.
Die Gesundheitssenatorin hat Anfang November, als sie von den drei toten Säuglingen erfuhr, die Experten des Robert-Koch-Instituts aus Berlin zu Hilfe gerufen. Die hatten mitgeteilt, dass sie auch die Akten von Frühgeburten vor dem Juli durchforsten wollten. Offenbar sind sie dort auf die brisanten Informationen aus dem April gestoßen.
Am Dienstag hatte die Gesundheitssenatorin bekannt gegeben, dass noch zwei oder drei weitere akute Fälle festgestellt worden sind - Kinder von anderen Stationen, die gesund seien, bei denen aber in Stuhl-Proben der Keim gefunden wurde. Auch sie kamen auf die neu eingerichtete Intensivstation. Schwangeren Frauen mit dem Risiko einer Frühgeburt unter 1.000 Gramm wird seit der Schließung der Bremer Frühchen-Station geraten, nach Hannover oder Hamburg zu gehen. In zwei anderen kommunalen Kliniken hatte es bis zum vergangenen Jahr noch solche Spezialstationen gegeben - aus Kostengründen hatte sie der kommunale Klinik-Verbund aufgelöst und in dem jetzt betroffenen Klinikum Mitte konzentriert.
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