ES GIBT VIEL ZU SEHEN – SCHAUEN WIR’S AN : Nachschub auf illegalem Wege
DAVID DENK
Wenn es denn unbedingt sein muss, kann der Herbst kommen. Neulich habe ich mir die erste Staffel von „Game Of Thrones“ gekauft wie auch die von „Boardwalk Empire“. Ein bisschen Zeit habe ich noch, mir zu überlegen, womit ich anfangen soll, denn gerade hole ich die erste Staffel von „House of Lies“ nach – nicht zu verwechseln mit „House of Cards“ –, mit dem grandiosen Don Cheadle als skrupellosen Unternehmensberater in der Hauptrolle. Und dann muss ich mir noch die letzten Folgen der ersten Staffel von „Ray Donovan“ besorgen, in der ebendieser, gespielt von Liev Schreiber, als Mann fürs Grobe bei einem Promianwalt, gegen seinen eigenen Gangstervater kämpft.
Mir fehlen gerade mal noch vier Folgen – die Frage ist nur: Woher nehmen, wenn nicht stehlen? Das Staffelfinale lief in den USA erst Ende September. Und für illegale Downloads bin ich zu feige. Solange sich andere für mich die Hände schmutzig machen, habe ich aber nichts dagegen, gebrannte DVDs nehme ich gern entgegen. Moralisch ganz sauber ist das vielleicht nicht, aber ungemein praktisch. Mit dem Seriennachschub ist das bei mir wie mit weichen Drogen: Ich partizipiere, aber besorge nicht.
Auch die Gier ist vergleichbar: Wenn der Stoff da ist, gibt es kein Halten mehr. Der Fressflash lässt mich ganze Staffeln an einem Tag verdrücken. Kalter Entzug kann sich kaum schlimmer anfühlen als das Abschiednehmen von Figuren, die einem in zwölf Folgen so sehr ans Herz gewachsen sind, dass man auf ein baldiges Wiedersehen hofft.
Es gibt aber auch Typen, die man allmählich nicht mehr sehen kann: Hank Moody etwa, Protagonist von „Californication“, hatte anfangs einen hohen Unterhaltungswert, in der gerade geguckten sechsten Staffel geht er mir fast nur noch auf die Nerven mit seinem Selbstmitleid und seinem Peter-Pan-Syndrom. Ich fürchte, wir haben uns auseinandergelebt. Bei Serienfiguren ist es noch fataler als bei echten Freunden, wenn sie sich nicht weiterentwickeln.
Das mit dem baldigen Wiedersehen klappt bei mir übrigens ganz gut, weil ich immer eher spät dran bin bei Serien: Da ich mir die DVDs kaufe, wenn ich sie mir nicht klauen lasse, aber nicht zu jedem Preis, ist meistens schon die zweite Staffel erschienen, wenn ich die erste bestelle. Das spart nicht nur Geld, auch Nerven, wenn man nahtlos weitergucken kann.
Montag Anja Maier Zumutung
Dienstag Deniz Yücel Besser
Mittwoch Martin Reichert Erwachsen
Donnerstag Margarete Stokowski Luft und Liebe
Freitag Jürn Kruse Fernsehen
In der Videothek wartet schon die dritte Staffel von „The Good Wife“, eine Anwaltsserie mit der wunderbaren Julianna Margulies, bekannt aus „Emergengy Room“, und Chris Noth – Mr. Big aus „Sex and the City“ – als ihr untreuer Ehemann. Die CBS-Produktion ist natürlich längst nicht so sophisticated wie die Konkurrenz von HBO, Showtime, AMC und Netflix – aber ich mag sie gerade für die Balance aus Zugänglichkeit und Komplexität.
Und dann habe ich noch drei Staffeln „Kommissarin Lund“ zu Hause liegen, zwei Staffeln „Black Books“ – was für ein wahnwitziger britischer Spaß! –, ach ja, und „Lilyhammer“, die norwegisch-amerikanische Mafiaserie mit Steven Van Zandt aus den „Sopranos“. Wer hätte gedacht, dass ich mich mal so auf den Herbst freuen würde?!