ES GIBT HOSEN, DIE HALTEN LÄNGER ALS BEZIEHUNGEN : Meine Jeans
ROGER REPPLINGER
Auf meiner Jeans liegen ein verfaulter Pfirsich, zwei Zwetschgenkerne, ein Wattestäbchen, Moment, ich muss mal nachsehen, dieser Mull, den man aus dem Filter vom Trockner klaubt, eine Bananenschale, drei Teebeutel. Earl Grey. Macht ein mieses Gefühl.
Diese Jeans hielt länger als die meisten Beziehungen. Mehrere Frauen haben sie geflickt, am Ende musste ein Profi ran. Vom Mühlenkamp links ab, wie heißt die Schneiderei? Komm nicht drauf.
Meine Jeans hatte einen Riss am Oberschenkel, mit dem hätte ich leben können, und einen fiesen unter der rechten Arschbacke. Da sah man den schwarzen Flickstoff durch, den die Schneiderin eingesetzt hatte. Auch die Schneiderin liebte meine Jeans. „Guter Stoff“, sagte sie, und legte liebevoll ihre Hand drauf, „nicht wegschmeißen.“ Die Reparatur kostete mehr als eine neue. Ich bin dann mit der Spitze des Sattels in den hinteren Riss geraten. Die Hose ging nicht mal mehr als Ramones-Revival durch.
Die Knöpfe sind noch super, die Gürtelschlaufen auch. Die Taschen vorne sind ziemlich ausgefranst, die Fäden musste ich immer wieder abschneiden, und wenn ich was in die Hosentasche steckte, hab ich aufgepasst, dass es in der Tasche landete und nicht durch die immer größer werdende Öffnung oben rein rutschte und am Fuß raus.
Ich hatte sie so zehn, zwölf Jahre. Sie war oft im Regen, vor kurzem noch saß ich mit ihr in der Stabi, klitschnass. Sie war gerade groß genug, damit eine lange Unterhose drunter passte. Es gab Monate, da hatte ich sie jeden Tag an. Zwischendurch waschen, trocknen, wieder anziehen. Bügeln? Nie!
Nun sind mir innerhalb kurzer Zeit drei Jeans kaputt gegangen. Zusammen sind die so alt wie ich. Ich hab schon damit angefangen, Hosen, die ich nicht mag, anzuziehen. Ist immer noch besser als neue zu kaufen. Ich werde nie verstehen, dass Leute gerne Klamotten kaufen. Horror. Ich werde mir, wenn ich mich durchgerungen habe, zwei, drei neue Jeans auf einmal kaufen. Dann ist wieder Ruhe für zehn Jahre. Aber noch bin ich nicht so weit.
Wenn ich eine neue Hose gekauft habe, denke ich: „Die ist so Scheiße, die zieh ich nie an.“ Es dauert lange, bis ich Hosen mag, dann will ich sie nicht mehr ausziehen. Oberteile gehen leichter, auch nicht leicht, aber leichter.
Manchmal kann man alte Jeans abschneiden und als Shorts weiter tragen. Bei der ging das nicht. Riss war an der falschen Stelle. Sie war so bläulich-schwarz. Schon ziemlich weiß am Oberschenkel. Wegen mir müssen neue Jeans nicht aussehen, als seien sie getragen. Ich krieg das auch so hin.