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Archiv-Artikel

ERICH RATHFELDER ÜBER DEN WAHLAUSGANG IN KROATIEN Feinsinn unterliegt

Die 46-jährige Kolinda Grabar-Kitarovic war vor den Wahlen keineswegs populär, sie ist im Wahlkampf außer durch haltlose Versprechungen, das Land in kurzer Zeit in den Wohlstand zu führen, keineswegs durch konstruktive Vorschläge zur Lösung der Krise in Kroatien aufgefallen. Und dennoch hat sie bei einer für Kroatien hohen Wahlbeteiligung knapp gewonnen.

Der bisherige Präsident Ivo Josipovic ist dagegen der Repräsentant des progressiven, kulturellen, bürgerlichen Zagreb. Seine im Wahlkampf gegen das sozialdemokratische Parteiestablishment gemachten Vorschläge für Volksabstimmungen über notwendige Reformprojekte waren vernünftig, zeigten einen Ausweg aus der wirtschaftlichen Krise. Bürgerlichkeit und Anstand, Intellektualität und komplizierte Gedankenspiele reichten nicht zum Sieg. Der seit Jahren anhaltende wirtschaftliche Abwärtstrend hat 20 Prozent der Menschen in die Arbeitslosigkeit getrieben, 50 Prozent der Jugendlichen haben keine Chance für einen Job, der kalte Neokapitalismus verschlechterte Arbeitsbedingungen und Löhne. Kleine Leute, Arbeiter und Angestellte, die katholische Kirche und die nationalistisch gesinnten Dörfler aus Dalmatien und Slawonien sowie die Auslandskroaten gelten ohnehin als Wählerbasis für Grabar-Kitarovic. Diesmal stimmten offenbar auch viele Unzufriedene aus anderen Lagern für die vermeintliche Alternative.

Den Ausschlag dürften die 16 Prozent jungen Leute gegeben haben, die im ersten Wahlgang für den 24-jährigen Sozialrevolutionär Ivan Vilibor Sincic waren. Feinsinnige bürgerliche Intellektuelle aus dem Establishment können große Teile dieser Jugend nicht mehr begeistern. Es ist aber durchaus möglich, dass bei den diesjährigen Parlamentswahlen die Karten neu gemischt werden.

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