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Archiv-Artikel

ENTFÜHRUNG IM IRAK: MACHTLOSIGKEIT DER REGIERUNG WIRD VORGEFÜHRT Premier muss seine Schiiten entwaffnen

Täglich werden im Irak Menschen entführt. Selbst die Verschleppung von ganzen Bussen mit über 20 Personen ist keine Seltenheit mehr. Deshalb hat die Massenentführung im irakischen Bildungsministerium auch kaum einen Bürger überrascht. Zu sehr reiht sie sich in die allgemeine Rechtlosigkeit ein. Ob auf dem Markt, im Restaurant, beim Arzt, einer Behörde oder im Straßenverkehr – die Angst vor Bombenattentätern oder Kidnappern fährt immer mit. Dass die Iraker dennoch bislang täglich zur Arbeit fahren, bringt auch zum Ausdruck, wie beharrlich sie um ein wenig Normalität im allgemeinen Chaos ringen.

Die Entführer agierten am helllichten Tag; sie müssen sich absolut sicher gefühlt haben. Wenn die Regierung noch nicht einmal in der Lage ist, ihre Angestellten in den eigenen Büros zu schützen, dann ist nicht nur ihr Ansehen, sondern der gesamte Staat gefährdet. Nach ersten Erkenntnissen scheinen die Entführer aus dem Umfeld der schiitischen Milizen zu stammen. Trotz erheblichen Drucks der Amerikaner hat sich der schiitische Premier Maliki bisher geweigert, diese Milizen zu demobilisieren. Stattdessen hat er es vorgezogen, vor allem sunnitische Extremisten für die Gewalt im Irak verantwortlich zu machen. Das ist zwar verständlich angesichts der vielen Toten, die die Schiiten durch sunnitische Bombenanschläge zu beklagen haben. Doch hat dieses Taktieren bei den schiitischen Todeskommandos den Eindruck bestärkt, dass sie freie Hand haben. Damit hat Maliki nicht nur bei den Sunniten den Verdacht geschürt, die schiitisch dominierte Regierung benutze die Milizen, um ihre Macht abzusichern.

Bisher haben die Amerikaner Maliki unterstützt, wenn auch oft widerwillig. Doch mit den veränderten Mehrheiten in Washington könnte sich das ändern, vor allem wenn sich die US-Truppen aus den Sicherheitsoperationen zurückziehen sollten. Spätestens dann braucht Maliki eine funktionierende Polizei, die nicht nach ethnischen und konfessionellen Prämissen handelt. Dazu reicht es nicht, mit dem Finger nur immer auf die sunnitischen Extremisten zu zeigen. INGA ROGG