EINE SCHWARZ-GRÜNE KOALITION IST EINE SINNVOLLE ALTERNATIVE : Kein Treuegelöbnis auf die SPD
Grünen-Chef Reinhard Bütikofer wusste genau, was er tat, als er am Wochenende über eine mögliche schwarz-grüne Koalition auf Bundesebene sprach. Eine solche Zusammenarbeit gilt immer noch als Tabu. Wer Schwarz-Grün öffentlich thematisiert, kann sich breiter Aufmerksamkeit gewiss sein. Bütikofer nutzt sie, um die Grünen in der bestehenden rot-grünen Koalition zu stärken und der SPD zu signalisieren: Wir können auch anders. Solche taktischen Spielchen dürften Gerhard Schröder kaum jucken. Interessant wird die Debatte erst, wenn man die Tagespolitik verlässt und sich der Frage widmet: Können sie denn wirklich anders, die scheinbar so selbstbewussten Grünen?
Wenn sie langfristig überleben wollen, kommen die Grünen um eine Antwort auf diese Frage nicht herum. Einzig und allein auf die SPD und eine dritte Auflage von Rot-Grün im Jahr 2006 zu setzen hieße, fatalistisch auf die wahrscheinlichste Variante, also den gemeinsamen Untergang, zu warten. Das weiß auch Joschka Fischer. Intern hat der eigentliche Parteichef seine Leute erstmals ermuntert, mehr als bisher über Schwarz-Grün nachzudenken. Es spricht also viel dafür, dass hinter Bütikofers Gedankenspielen mehr steckt als oberflächliche Kraftmeierei. Sein Vorstoß ist von oben (Fischer) gedeckt – und ruft unten (an der Basis) kein Entsetzen mehr hervor.
Bisher hieß es immer, Gemeinsamkeiten zwischen Union und Grünen gebe es nur in der Wirtschafts- und Steuerpolitik. Gesellschaftlich sei man weit voneinander entfernt. Das ist zwar richtig, muss jedoch nicht so bleiben. Es gibt in der Union nicht nur den Hardliner Jörg Schönbohm, es gibt auch den liberalen Peter Müller. Wer die Union als Partner ausschließt, schadet den liberalen Kräften. Wer die Zusammenarbeit mit der Volkspartei ablehnt, vergibt eine Möglichkeit, die Gesellschaft zu verändern. Mit diesem ehrgeizigen Ziel – und nicht mit einem Treuegelöbnis auf die SPD – waren die Grünen einst angetreten. Es ist richtig, Bedingungen für eine schwarz-grüne Koalition zu formulieren. Nur: Werden sie erfüllt, müssen die Grünen auch dazu bereit sein. LUKAS WALLRAFF