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Archiv-Artikel

EIN AUTO IST EIN CODE. ES SAGT IMMER ETWAS ÜBER DENJENIGEN AUS, DER DAMIT FÄHRT Der Freund des Menschen

Foto: Lou Probsthayn

KATRIN SEDDIG

Das Auto ist das, was früher vielleicht das Pferd war. Oder die Kutsche. Oder das Fahrrad. Das Fahrrad ist ja jetzt eher der Feind des Autos und umgedreht. Nicht, dass nicht auch Leute, die Fahrräder besitzen und sogar damit fahren, nicht auch gleichzeitig Autos besitzen und damit fahren können. Ein Auto und ein Fahrrad schließen sich ja nicht aus. Es sortiert einen Menschen nur in verschiedene Lager ein, Lager, die sich oft oder auch meist feindlich gegenüberstehen.

Das Pferd allerdings ist jetzt außen vor. Das Pferd ist in der Stadt nicht mehr benutzbar. Das Auto lebt nicht, nimmt aber doch den Platz des Pferdes ein. Es wird gereinigt und gepflegt, es wird bespielt und optimiert. Es wird zum Schönsten unter seinesgleichen gemacht, es wird ausgestellt und begutachtet, es ist der Freund des Menschen, vor allem der Freund des Mannes.

Der Mann liebt sein Auto, weil es sein Pferd ist, weil er nicht anders kann. In Husum in Schleswig-Holstein gab es am vergangenen Sonntag ein Treffen von Autos und deren Menschen, das Husumer Allcar-Treffen, wo sich erleben ließ, was ein Auto einem Menschen bedeuten kann. Sein Hobby, seine Freizeit, sein Spaß und sein Stolz.

Was mir an solchen Menschen und auch Autos gefällt, obwohl ich meistens gegen Autos bin, das ist der Humor, den die einen haben und der in den anderen dann sichtbar wird. Immerhin muss ein Auto auf solch einem Treffen nicht das Schnellste oder Teuerste sein, es soll nur das Originellste, das Witzigste, das Schönste, das am einfallsreichsten Umgebaute sein. Ein Lebensstil, der nicht einfach nur gekauft wurde, wie ein Porsche oder ein Ferrari, sondern einer, der selbst gebastelt und eingerichtet wurde.

Das kann ich verstehen. Man richtet sich ein. Im Leben, in der Wohnung, im Auto. Man wünscht sich Besonderheit, Einzigartigkeit, Individualität. Ein Auto, auch ein Ungetuntes, sagt eigentlich immer etwas über einen Menschen aus. So wie eine Mütze und eine Jacke. Vielleicht sogar noch mehr, denn ein Auto kostet mehr Geld als eine Mütze oder eine Jacke und ist sorgfältiger ausgewählt.

Die Marke und die Farbe, der Aufkleber und das Duftbäumchen sagen etwas über den Fahrer aus, vielleicht nur über die Vorbesitzerin, vielleicht nur über die Freundin, aber auch das sind Informationen, ein Auto ist ein Code wie ein Outfit, und ein getuntes Auto sagt, ich liebe mein Auto, als wäre es ein Pferd. Oder als wäre es besser als ein Pferd, denn ein Pferd kann man nicht tunen.

Ein Pferd ist Natur und nicht optimierbar. Kaum. Menschen sind das auch nicht. Ähnlich schlecht wie Pferde. Menschen sind recht anfällig. Aber Autos geben ihnen Möglichkeiten. Mit einem Auto kann man schneller und am schnellsten sein. Oder einen sehr lauten Auspuff haben.

Laut ist so ähnlich wie groß oder stark. Lautsprecher in Autos sind wichtig. Man kann einen nahezu unerträglich lauten Lautsprecher in seinem Auto haben. Man kann einen nahezu unerträglich lauten Auspuff an seinem Auto haben. Wenn man nachts auf der Wandsbeker Chaussee in Hamburg beschleunigt, dann kann man es schaffen, so laut zu sein, dass eine Menge Leute einfach aus dem Schlaf erwachen. Man kann die Leute im Schlaf erschüttern.

Aber darum geht es vermutlich nicht beim Allcar-Treffen in Husum. Da geht es um Witz. Da geht es um Hobby und Bastelarbeit. Da geht es um das, was man Liebe zum Detail nennt. Um die Inszenierung zum Kauz, zum Besonderen und zum Einzigartigen.

Dagegen will ich nichts sagen. Ich habe nichts übrig für Autos, aber ich kann nicht total außerhalb meiner Welt leben. Ich kann nicht fast alle Menschen verurteilen. Sie leben so gut es geht, in der Welt wie sie nun mal ist, in der Welt, die ein Straßenverkehr ist. Sie sind da reingeboren und es ist schwer, sich rauszustrampeln. Katrin Seddig ist Schriftstellerin und lebt in Hamburg, ihr jüngstes Buch, „Eheroman“, erschien 2012. Ihr Interesse gilt dem Fremden im Eigenen