: EG-Kommission mit DDR zufrieden
■ Rohwedder: DDR nicht überfordern / Gohlke zum Treuhandchef gewählt / Haussmann: DDR-Händler und Produzenten sollen das kleine Einmaleins der Marktwirtschaft lernen
Berlin (dpa/ap) - Die Tarifpartner und Politiker in der DDR sollten den „völlig entkräfteten Wirtschaftsorganismus“ nicht überfordern. Andernfalls komme es, so Detlev Rohwedder, Verwaltungsratsvorsitzender der DDR -Treuhandanstalt, zu Krisen und verbreiteter Arbeitslosigkeit. In einem Interview des 'Neuen Deutschland‘ äußerte Rohwedder die Hoffnung, daß sich die Transformation der DDR-Wirtschaft mit Hilfe der Treuhandanstalt rasch und zügig ausbreiten werde. Zu deren Präsidenten war am Montag der Bundesbahnvorstandsvorsitzende Reiner Gohlke bestellt worden.
Befriedigt über das Ergebnis der Gespräche mit der DDR -Regierung hat sich derweil der für Fragen des Wettbewerbs zuständige Vizepräsident der EG-Kommission, Sir Leonhard Brittan, in Berlin geäußert. Differenzen zwischen der EG -Kommission und der Regierung der DDR über Subventionen und Fusionen seien in Gesprächen unter anderem mit Ministerpräsident Lothar de Maiziere und Wirtschaftsminister Gerhard Pohl ausgeräumt worden. Die von Brittan kürzlich in einem Brief an den Ministerrat der DDR geäußerte Kritik beispielsweise am Einstieg der Allianz AG bei der einstigen Staatlichen Versicherung habe sich nunmehr als weitgehend gegenstandslos erwiesen.
Die DDR werde sich an vier Prinzipien halten, wurde laut Brittan vereinbart. So werde sie in der Wettbewerbspolitik von sofort an so handeln, als wäre sie bereits Mitglied der EG und damit zur Beachtung des EG-Wettbewerbsrechts verpflichtet. Nichtdeutsche Unternehmen würden bei der Rekonstruktion der DDR-Wirtschaft künftig fair behandelt. Bestimmte für den Wettbewerb sensible Sektoren wie die Gasversorgung sollen gemeinsam genau beobachtet werden. Um in diesen Fragen zusammenzuarbeiten, wird der Abteilungsleiter für Wettbewerbsrecht bei der EG-Kommission, Klaus-Dieter Ehlermann, engen Kontakt zur DDR-Regierung und zum Amt für Wettbewerbsschutz halten.
Bundeswirtschaftsminister Helmut Haussmann hat nun die Produzenten und Händler in der DDR aufgerufen, ihre derzeitigen Absatzschwierigkeiten mit neuen Werbe- und Vertriebsmethoden und scharf kalkulierten Preisen zu überwinden. Vor Unternehmern in der DDR sagte Haussmann am Dienstag in Ost-Berlin, statt darüber zu klagen, daß derzeit Grundnahrungsmittel und Dinge des täglichen Bedarfs aus der BRD gebracht werden, während der DDR-Handel die im eigenen Land produzierte Milch nicht abnimmt, sollten die Betriebe „das kleine Einmaleins der Marktwirtschaft lernen“.
Die Produzenten müßten lernen, ihre Waren zum Verbraucher zu bringen, sagte der Wirtschaftsminister vor dem „Unternehmensforum DDR“ nach seinem in Bonn verteilten Redemanuskript. Die Hersteller müßten zeigen, daß auch DDR -Produkte Qualität haben. „Entwickeln Sie eine entsprechende Aufmachung ihrer Produkte. Werben Sie mit originellen Einfällen“, regte Haussmann an. Allein oder mit Hilfe anderer sollten neue Vertriebswege aufgezogen werden. Falls notwendig, sollte DDR-Produkten ein neues Image und ein neuer Name gegeben werden.
Haussmann warnte davor, die traditionellen Märkte der DDR in Osteuropa zu vernachlässigen. Von osteuropäischen Partnern der DDR höre er viele Klagen über massenhafte Kündigung von Lieferverträgen durch Betriebe im anderen Teil Deutschlands. „Solche Signale hinterlassen Kratzer auf dem Image der DDR als zuverlässiger Handelspartner.“
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