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Archiv-Artikel

EFA, EFA, alles ist vorbei

Der größte deutsche Independent-Vertrieb EFA ist pleite. Der Konkurs markiert den Beginn eines grundsätzlichen Wandels der Musikvertriebswege

Das Ende kam nicht mehr überraschend. Am Dienstag wurde offiziell, was in der deutschen Musikindustrie seit Monaten gemunkelt wurde: EFA ist pleite. Die beiden Geschäftsführer Ulrich Vormehr und Horst Lewald meldeten beim Amtsgericht Göttingen die Insolvenz des größten unabhängigen Plattenvertriebs der Republik an. Nun hofft man, wie in einer offiziellen Stellungnahme verkündet wird, trotz millionenschwerer Schulden zusammen mit dem Insolvenzverwalter für „einzelne Kernbereiche des Unternehmens eine Perspektive zu entwickeln“.

Das Gesundschrumpfen als letzte Hoffnung für einen Betrieb, der zuletzt noch die Musik von um die 200 kleinen und mittelgroßen Plattenfirmen in die Läden brachte – obwohl in den letzten Wochen bereits mehrere Labels den Vertriebspartner gewechselt hatten, darunter vergleichsweise umsatzstarke wie Crippled Dick Hot Wax und Thrill Jockey. Bereits vor ungefähr einem Jahr hatten Kitty-Yo, Scape und Basic Channel den Vertrieb gewechselt. Vielen Labels ist EFA seit Monaten die Erlöse aus den Plattenverkäufen schuldig geblieben, denn die dramatischen Umsatzrückgänge betrafen längst nicht mehr nur die fünf großen Musikkonzerne. Auch bei kleinen Independent-Labels gingen die Verkäufe zurück. Dass nun ausgerechnet ein Plattenvertrieb zum ersten großen Opfer der Krise in der Musikindustrie wird, ist aber auch Vorbote des bevorstehenden Umbaus der gesamten Branche.

Mit der Pleite sind nicht nur rund 50 Arbeitsplätze bei EFA bedroht, sondern auch die Existenz vieler Kleinlabels. Da mögen die Außenstände mitunter kaum mehr als ein paar tausend Euro betragen, aber für eine aus dem eigenen Wohnzimmer betriebene Ich-AG kann das das Aus bedeuten. Viele werden nun zudem Probleme bekommen, einen neuen Vertrieb zu finden. EFA, das gehörte zur Firmenphilosophie, nahm auch Labels mit nur zwei oder drei jährlichen Veröffentlichungen auf. Solche Kleinst-Indies sind aus wirtschaftlicher Sicht nicht einmal mehr für Indigo interessant, den anderen großen deutschen Independent-Distributor, der 1993 aus EFA hervorgegangen war.

Die größeren Firmen dagegen haben meist schon vorgesorgt. Beim Berliner Alt-Indie Vielklang hat man sich rechtzeitig um neue Partner gekümmert: Die Platten der verschiedenen Sublabels werden fortan von Soulfood, Live und Edel in die Läden gebracht. „Hätten wir das nicht gemacht“, sagt Gerd Kähler, bei Vielklang für die Finanzen zuständig, „dann hätte uns die Pleite von EFA mit reingerissen.“ Vielklang lässt zudem seit zwei Jahren seine Platten selbst pressen. Für viele kleine Labels dagegen hat EFA auch die Produktion organisiert. Den Presswerken schuldet EFA Geld und diese geben die bereits hergestellten CDs verständlicherweise nicht an die Labels heraus. „Gäbe es die Pleite von EFA nicht“, meint Kähler, „dann könnte es allen Indies richtig gut gehen, dann könnten wir noch viel mehr von der Krise der Majors profitieren.“

Denn, so wird in der Branche gemunkelt, dass EFA rote Zahlen schrieb, hatte auch interne Gründe. Zum Vergleich herangezogen wird der Konkurrent Indigo, der keine Zahlungsschwierigkeiten hat. EFA dagegen, 1982 im Umfeld der Ton Steine Scherben gegründet, hatte wohl in den fetten Neunzigerjahren zu stark expandiert und tat sich schwer, den Betrieb wieder zu verschlanken. Zuletzt musste man das Berliner Außenbüro schließen und das eigene Label e:motion einstellen. Der Markt mit elektronischer Musik, auf den man mit e:motion gesetzt hatte, entwickelte sich nicht wie erhofft.

Langfristig aber muss sich die gesamte Branche auf einen grundsätzlichen Strukturwandel einstellen. Nach einigen Anlaufschwierigkeiten hat die Musikindustrie die Vorteile von Download-Plattformen als Distributionsmöglichkeit erkannt – nicht zuletzt weil die direkte Lieferung an den Kunden über das Internet die Zwischenhändler spart und höhere Profite verspricht. Der physische Tonträger wird niemals ganz aussterben, so wie auch das Vinyl überlebt hat – perspektivisch aber wird nur noch ein kleiner Teil des Umsatzes mit CDs gemacht werden. Das Sterben von kleinen Plattenläden hat längst eingesetzt, unlängst schloss sogar der Branchenriese WOM eine Filiale in Hamburg. Mit den Vertrieben bekommen nun die nächsten Glieder der altmodischen Verwertungskette Probleme. Die Umstellung von Vinyl auf CD war harmlos, verglichen mit den Umwälzungen, die der Musikindustrie bevorstehen. Alle bekannten Strukturen stehen in Frage: Das ist die Lehre, die der Branche nun erstmals ganz konkret mit der EFA-Pleite vor Augen geführt wird.

THOMAS WINKLER