Durchsuchung in Flüchtlingshaus: Kritik an Polizeieinsatz
Unterstützer der Flüchtlinge in der Kreuzberger Schule werfen Polizei Gewalt vor. Piratenpolitiker Oliver Höfinghoff war bei Durchsuchung dabei und berichtet.
Nach der Durchsuchung des Flüchtlingshauses in der Ohlauer Straße werden Vorwürfe aus dem Unterstützerkreis laut: Die Polizei habe willkürlich und rassistisch kriminalisiert, pauschal Handschellen angelegt, mehrere Personen zum Teil schwer verletzt, unrechtmäßig Fotos gemacht und Anzeigen wegen sogenannter Verletzung der Residenzpflicht erstellt. Anwälte und Politiker seien nicht auf das Gelände gelassen worden, so die Unterstützer in einer Erklärung. Einer hatte es doch geschafft: Der Vorsitzende der Piratenfraktion, Oliver Höfinghoff, war bei der Durchsuchung dabei und sprach gegenüber der taz von "mangelnder Empathie" der Polizisten. Die Polizei dementiert die Vorwürfe.
In der Nacht vom Montag zum Dienstag hatten 150 Polizisten nach einer Messerstecherei im Umfeld der ehemaligen Gerhart-Hauptmann-Schule die Straße gesperrt und das seit einem Jahr von Flüchtlingen besetzte Haus durchsucht. Zeugenaussagen zufolge waren die Täter in die Schule geflüchtet. Tatsächlich habe man zu Beginn der Durchsuchung mehreren Personen Handschellen angelegt, weil die Situation so unübersichtlich gewesen sei, hieß es nun von der Polizei. Man habe zunächst die Personalien aller Erwachsenen aufgenommen. Nach einer ersten Vernehmung des Opfers seien dann nur noch die nichtweißen männlichen Personen erfasst worden, die sich in der Schule oder auf dem Gelände aufhielten. Die Daten und Fotos sollten nur der Identifizierung der Täter dienen und nicht etwa der Überprüfung des Aufenthaltsstatus. Anzeigen wegen Verletzung der Residenzpflicht habe es entsprechend auch nicht gegeben, sondern nur je eine Anzeige wegen Beleidigung, Widerstand gegen die Staatsgewalt, Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz, Körperverletzung und Zerstörung wichtiger Arbeitsmittel. Verletzte habe es weder auf Seiten der Bewohner noch der Demonstranten, die sich spontan eingefunden hatten, gegeben. Anwälte und Pressevertreter seien nicht auf das Gelände gelassen worden, solange die Spuren etwa durch Blutspürhunde gesichert waren.
Pirat Höfinghoff erhielt als Einziger schon während der Durchsuchung Zugang und beobachtete das Geschehen rund zwei Stunden. Er habe kein gewaltsames Vorgehen der Polizei beobachten können, ihm sei auch von den Bewohnern nichts dergleichen berichtet worden. Dass die Flüchtlinge aber in einem Raum ausharren mussten und dann mit Foto erfasst worden, empfand Höfinghoff als "repressiven Eingriff in die Privatsphäre", der nicht im Verhältnis zum Anlass stehe. Ein normales Mietshaus hätte man nie derartig gestürmt. "Offensichtlich war die Hemmschwelle der Polizei hier geringer als bei der weißen Mehrheitsgesellschaft", so der Piratenpolitiker.
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