piwik no script img

Durchs DröhnlandDer Uh-Lala-König ist einsam

■ Die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Wer den Weihnachtsmann nicht mehr erwarten kann, darf sich schon heute von Attila the Stockbroker, dem englischen Uralt-Punkrocker, Ex-Sportreporter und Ex-Dolmetscher bescheren lassen. Die Einmann-Combo, die in den letzten 15 Jahren keine verfügbare Bühne ausgelassen hat, hat sich erstmals eine feste Band zugelegt. Früher hat er mal als Gaststar mit Blyth Power gespielt, nun ist der graumelierte Herr Generalsekretär eines Jugendverbandes namens Barnstormer geworden. Die spielen einen klassischen britischen Folkpunk, der mal stürmisch, mal bedächtig daherkommt und schon mal mit Mandolinen oder Flöten verziert wird. Darüber singt Attila wie gewohnt seine mittelalterlich derben Geschichten aus den Pubs dieser Welt oder die letzten politischen Analysen, die den Zustand der Welt noch von links aus abklopfen, ohne daß es schlaff oder peinlich wird.

Mit Gagu, heute, 21 Uhr, Schoko- Laden Mitte, Ackerstr. 69-170

Thomas Koppelberg hat sich seine Brötchen in den letzten Jahren vor allem als Einmanntheater mit dem „Testament des François Villon“ verdient. Eigentlich ist der gebürtige Essener und leibhaftige Berliner allerdings Musikant, ja Liedermacher gar. Nur hat er zuletzt wenig Zeit gehabt, seiner eigentlichen Berufung nachzugehen. Was schade ist, wie man bei der heutigen Record-Release- Party seines bärtigen Solo-Debüts nachhören kann. Dort wird er sicherlich auch seine in Kreuzberg legendären Zeilen „Wat'n Glück, daß ich keine Arbeit kenn'! Wat'n Glück, daß ich in 'ner Hecke penn'!“ zum Vortrag bringen. Dabei nuschelt der „Uh Lala König“ (Selbsteinschätzung) bittere Sozialkritik. Der Gesang durch die zusammengepreßten Zähne erinnert zwar hin und wieder an Helge Schneider, aber ganz so radikal lehnt Koppelberg die Verantwortung fürs eigene Tun dann doch nicht ab. Und schöne, verzweifelte Liebeslieder kann er. Einzelner Mann, so einsam.

Heute, 20 Uhr, Acud, Veteranenstraße 21, Mitte

Wo dem einen bei Koppelberg der Bauch zu heftig regiert, wird dem anderen bei Keil der Kopf zu anschlußlos getragen. Die Band aus Senftenberg vertont Texte von Baudelaire und Bukowski, von Rimbaud und Wilhelm Busch. Der Vortrag von Sängerin Petra Keil wechselt zwischen pathetischem Rezitat, Operngekiekse und ätherischem Gesäusel. Und auch die Musikanten lassen kaum was aus zwischen Rock und Jazz.

Mit Sonic Romance, heute, 23 Uhr, Pfefferberg, Schönhauser Allee 176, Prenzlauer Berg

Wer möchte schon Fred Cheeseman heißen? Freddie Fingers Lee nannte er sich deshalb. Geboren wurde er 1937 in Newcastle und spielte zuerst in Skifflebands. Wegen Jerry Lee Lewis begann er mit dem Klavier, und das hört man heute noch. Sein Boogie ist kaum vom Mann mit den heißgelaufenen Hoden zu unterscheiden, und wer sich den Meister selbst nur vier Tage später nicht leisten will, der kriegt auch bei Herrn Käsmann sein Viertel Authentizität: Der hat mit allen gespielt, die in den 50ern wichtig waren. Und er trägt eine Augenklappe. Na, wenn das nichts ist!

Morgen, 21 Uhr, Huxley's Junior, Hasenheide 108, Neukölln

Daß man in Schottland ganz schön depressiv werden kann, mußten erst vor kurzem ein paar Freunde von mir erfahren, als sie versuchten, eine Wandertour durchs Hochland zu machen. Ziemlich feucht da, bekanntermaßen. Bei Jackie Leven kam allerdings noch eine Drogenentwöhnung dazu, was leicht erklärte, woher die tiefen Furchen bei „The Mystery of Love Is Greater than the Mystery of Death“, seiner Platte von 1994, kamen. Im Verhältnis dazu ist seine aktuelle „Forbidden Songs of the Dying West“ geradezu euphorisch. Trotzdem hängt der Mann noch ganz schön durch, sind seine Texte voll von einsamen Wanderern und noch einsameren Seelen, ist seine Stimme voll Verzweiflung, aber auch Mitgefühl. Manchmal könnte man fast meinen, Leven wäre der verlorengegangene Zwillingsbruder von Van Morrison.

Morgen, 22 Uhr, Knaack, Greifswalder Str. 224, Prenzlauer Berg

Weil die ganze Sache hier echt zu vorweihnachtlich zu werden droht, wollen wir Malevolent Creation nicht unerwähnt lassen. Deren Death Metal weiß, wo der Barthel das Blei holt. Da gibt's kein Vertun, kein Zögern, hier werden keine Gefangenen gemacht, und auf Stimmbänder oder Gitarrensaiten wird schon gar nicht Rücksicht genommen. Die Rhythmusgitarre macht taka-taka, das Schlagzeug pa-dautz und der Sänger grummel-grummel. Immerhin widerlegen Malevolent Creation die oben geäußerte These, daß Musik was mit dem Klima zu tun hat. Seitdem sie von Buffalo an der kanadischen Grenze (harte Winter) nach Florida (gebräunte Rentner) umgezogen sind, sind sie eher noch erbarmungsloser geworden.

Mit Vader, Sacred Skin und Detestor. Di., 19.12., 21 Uhr, Huxley's Junior

Lang, lang ist's her, da schrieb ich sehr wohlwollend über Sisc und ihre lockere, selbstironische Herangehensweise an Dark Wave und seine des öfteren doch etwas lächerlichen Begleiterscheinungen. Daran hat sich zweieinhalb Jahre später nichts geändert, aber Sisc sind auch nicht viel weiter gekommen. An ihnen liegt's weniger. Vielleicht eher an der allgemeinen Nutzlosigkeit von Dark Rock in der letzten Zeit, wo sich die Grufties doch mehr aufs Elektronische und Industrielle verlegt haben. Wem aber ein gutes Jahrzehnt später die Melodie von „This Corrosion“ immer noch nicht aus dem Kopf gehen will, der sollte einen ehrlichen, weil leicht distanzierten Blick auf Sisc riskieren.

Do., 21.12., 22 Uhr im Duncker, Dunckerstraße 64, Prenzlauer Berg, Eintritt frei! Thomas Winkler

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen