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Durchs DröhnlandNur die Tür verwechselt

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Märchen werden nicht nur abends vorgelesen. Manchmal passieren sie auch einfach so. Sogar in der Berliner Musikszene, die von Erfolgsgeschichten nicht gerade verwöhnt ist. Skew Siskin sind neben Jingo de Lunch sicherlich die beste städtische Metal- Kapelle, auch wenn beide von eher gegensätzlichen Polen die Musik betreiben und auf völlig verschiedenen Wegen den Erfolg suchten. Während Jingo in den auf Punk basierenden Kreuzberger Feudel-Kreisen fest verwurzelt waren (und sind), gingen Skew Siskin, kaum daß sie sich zu leidlicher lokaler Berühmtheit hochgespielt hatten, direkt nach Amiland, um in der Höhle des Mainstream-Metal Bon Jovi zu beißen.

Was ihnen überraschenderweise sogar gelang. Sie fanden ein Label in Los Angeles und befinden sich inzwischen mehr in den Staaten als in der alten Heimatstadt, wo der Metallschaffende eh (noch) nicht sonderlich akzeptiert ist – vor allem, wenn man, wie Skew Siskin, die Musik nicht aus politisch verklärten Gründen betreibt, sondern schlicht und einfach als Kind „classic rock'n'roll“ gefressen hat und nun, wie schlechte Erinnerungen beim Therapeuten, wieder ausspucken muß. Womit auch schon der größte Unterschied zwischen siebziger und neunziger Hardrock benannt ist – und das größte Manko des letzteren: Was früher Revolte war, hat man heute von den eigenen Eltern zum ersten Mal gehört, Leuten, die Deep- Purple- und Black-Sabbath-Fans waren – wie das bei Sängerin Nina C. Alice der Fall war. Ihr Gesangsstil ist offensichtlichst an den Seventies-Vorbildern geschult: leicht hysterisches, kurz vorm Überschnappen stehendes Gekreische, das die klassischen Metal-Themen schon in den Songtiteln anspricht: „Out of Control“, „Shake Down Rock and Roll“ oder „I Gotta Go Away“. Gleiches gilt für das Gitarrenspiel der früheren Kneipeneminenz Jim Voxx, der nun endlich einen Platz gefunden hat, wo er die Mythen, die er für die wahren hält, nicht nur vorführen, sondern auch leben kann.

Skew Siskin spielen bei freiem Eintritt als einzige Live-Band bei einer Sonic-Youth-Party im Huxley's. Anzunehmen, daß viel Musik von S.Y. läuft, aber gezeigt wird auf jeden Fall „The Year Punk Broke“, der aktuelle Film von, über und mit der momentan wichtigsten und einzigen amerikanischen Underground-Band auf einem Major-Label (siehe auch Artikel links).

P.S.: Alle Konzerte im Huxley's Jr., also dem kleinen Saal, kosten, als einmalige Situation im Februar, nur 9 DM Eintritt, weil man bestürzt ist, wie wenig Menschen in letzter Zeit Live-Konzerte besuchen und erkannt zu haben glaubt, daß dies womöglich mit überhöhten Eintrittspreisen zusammenhängen könnte.

Am 13.2. um 21 Uhr in Huxley's Neuer Welt, Hasenheide 108-114, Kreuzberg

Die Sterne kommen in einer Bestandsaufnahme zu der Selbstcharakterisierung: „musikalische Ladendiebe und ein tuberkulöser Sänger“. Der singt: „Und ich, und ich, und ich bin ein Arschloch“. Dazu spielen sie einen so flotten Funk, wie ihn die Fehlfarben nach Peter Heins Abgang nie wieder hingekriegt haben. Nun gut, tanzbaren Funk haben weiße Bands schon öfter mal gespielt, aber Die Sterne haben zudem die Fähigkeit, die kantigen deutschen Worte auf den schlichten Punkt zu bringen, ohne dabei in Plattheiten zu versinken: „Reich sein ohne Rassismus, wie soll das gehen? Keine leichte Entscheidung, mein fettes Baby“. Manchmal sind sie auch nur einfach lustig, manchmal drastisch, aber immer wieder machen sie die noch besseren Texte als ihr Kumpan Tom G. Liwa von den Flowerpornoes, der auf ihren Platten immer mittun darf und zu den wenigen Deutschen zählt, die halbwegs zu hörende deutsche Popzeilen schreiben. Der Tanzansatz der Sterne wird beim Konzert auf der Insel durch diverse DJs unterstützt.

Am 13.3. um 22 Uhr auf der Insel, Alt-Treptow 6, Treptow

Irgendwie ist es unverständlich, aber Kanada hat wenig musikalisch Aufregendes zustande gebracht – wenn man mal von Ben Johnsons Trommelschritten auf den Tartanbahnen dieser Welt absieht. Die halbwegs bekannten Musikanten wie Bryan Adams oder Rush hatten öfter einen Hang zum Bombast. Ähnliches gilt leider auch für The Tragically Hip, die fast notwendigerweise bei der kanadischen Grammy- Wahl 1990 zur „Most Promising Group of the Year“ ernannt wurden. Vorher hatten die Bandmitglieder aber erst mal, wie es sich für zünftige Rock'n'Roller gehört, ihr Studium beendet, um erst dann „Musik nicht nur zur Berufung, sondern auch zum Beruf zu machen“, wie das Info mitteilen läßt. Genauso hören sich die teilweise melancholischen, teilweise etwas deftigeren Rockstücke dann auch an: wie Michael Stich Tennis spielt – ohne Feuer, ohne Leidenschaft, Punkt für Punkt, und wenn die 3 Minuten 43 Sekunden vollgemacht sind, wird halt ausgeblendet. Aber man kann sie beruhigen: ihrem möglicherweise ironisch gemeinten Namen werden sie sicherlich nie gerecht werden.

Am 14.2. um 20.30 Uhr im Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg

Auf den Knarz in Aidans Bartleys Stimme und seine Fähigkeit, den richtigen Gitarrenmißton zur rechten Zeit einzusetzen, wurde an dieser Stelle erst kürzlich hingewiesen. Da der Autor aber nicht nur eine gewisse Schwäche für romantische Balladen und vertonten Herzschmerz hat, kann das gar nicht oft genug geschehen.

Am 14.2. um 21 Uhr im Zosch, Tucholskystraße 30

Selten konnte man die Entwicklung einer Band so ausführlich verfolgen wie bei PNATSH. Bei ihren ersten Auftritten war der Eindruck unabweisbar, daß sie nur die Tür verwechselt hatten und eigentlich in ihren Probenkeller wollten. Zwischenzeitlich spielten sie Punkrock und Rocksteady, weil das so hübsch zum politischen Anspruch paßte. Inzwischen aber sind sie eine der letzten erwähnenswerten Bastionen des Berliner Rockschaffens, das sich noch nicht dem Tanzfieber ergeben hat. Hinzu kommt, daß PNATSH vielleicht die einzige Band der Stadt sind, die aus einem linken Hausbesetzerumfeld kommt und nicht einfach stumpf den Punkrock von vor 15 Jahren kopiert. Ohne es zu wollen oder gar von vornherein beabsichtigt zu haben, umschiffen PNATSH die Klippen, die originärer Punkrock heutzutage durch die Adaption von Skinbands bietet. Das gelingt ihnen mit dem einfachen und uralten Trick, den Clash-Ansatz zu kopieren, die Synthese zwischen Ska und Punk zu suchen, die Brücke zwischen Schwarz und Weiß zu schlagen, aber trotzdem die beiden Stile nicht direkt miteinander zu vermatschen. Sozusagen als eigene Großtat kommt ein gehöriger Mut zum Lärm hinzu.

Am 13.3. um 22 Uhr im Schoko-Laden Mitte, Ackerstraße 169/170 Thomas Winkler

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