Durchs Dröhnland: Muster im Matsch
■ Die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche
Wer nicht glauben mag, daß es Punkrock immer noch gibt, den ganz böse prügelnden, den aus Bier und Schweiß, den mit den stachligen Haaren und den simplen Mitgrölrefrains, wer das nicht glaubt, der muß sich Platten von Vopo-Records kaufen oder heute in den Pfefferberg gehen. Dort wird das vierjährige Bestehen eben jenes Labels gefeiert. The Strikes aus Prenzlauer Berg versprechen, die BesucherInnen „60 Min. zum Schunkeln zu bringen“, die Shock Troops aus Rostock sind jetzt „auf 'nem Ost-Sampler vertreten“ und bei Kiez Gesöx (auch Prenzlauer Berg) brachte schon die Sonne „das Bier im Kopf zum Kochen“. Manche Dinge kommen offensichtlich nie aus der Mode.
Heute, 22 Uhr, Pfefferberg, Schönhauser Allee 176, Prenzlauer Berg
Schön am Jazz ist ja, daß trotz höchster Ansprüche an die Qualität des Zusammenspiels der Gruppenzusammenhang meist sehr spröde ist. So auch bei Torita Quick, eigentlich aus Los Angeles stammend, aber ausgiebig in Europa unterwegs. Bekannt wurde Quick durch ein George-Gershwin-Gedenkprogramm; seitdem hat sie allerlei verschiedene Begleitmusikanten ausprobiert. So wechselhaft wie diese sind auch die stimmlichen Möglichkeiten von Quick, die sie in vorsichtig dahinswingendem Jazz ebenso nutzt wie in allerdings nur leicht angeschwitztem Soul oder dezent dreckigem Blues. Die Begleitung soll vor allem nicht weiter auffallen. Dieser Gemischtwarenladen ist zwar nicht authentisch, aber immerhin lebendig. Und das ist bei weitem mehr, als man über den Großteil der akademischen Versuche sagen kann, die sich heutzutage Jazz nennen.
Morgen, 22 Uhr, Franz, Schönhauser Allee 36-39, Prenzlauer Berg
Über R.E.M. ist schon viel gesagt worden, deshalb wollen wir uns den wirklich wichtigen Dingen zuwenden: Vorgruppen. Schließlich sind sie es, die einen stundenlang ärgern, während man auf den Hauptact wartet, um sich dann zu ärgern, daß man überhaupt soviel Geld ausgegeben hat. R.E.M. behielten es sich eine ganze Weile vor, die Kapellen, die für sie aufwärmen durften, selbst auszuwählen und stießen die eine oder andere dadurch in einen kaum verkraftbaren Bekanntheitsgrad. Wenn dem immer noch so ist, haben Michael Stipe und Konsorten zwar einmal mehr Geschmack bewiesen, aber der Großteil der R.E.M.-Fans dürfte die Heftigkeit des Vortrags von Radiohead doch aus der Sommerduseligkeit kicken. Delirierende Gitarrenwände stehen neben süßlichen Balladen, die popseligen Ansätze wollen oft gar nicht korrespondieren mit den schwer walzenden Soundtraktoren. R.E.M. sind gewiß die bessere Band, aber was sie auf ihrer letzten Platte versucht haben – zurück zu den Wurzeln, Abrechnung mit Grunge e. a. – das können Radiohead fast ein wenig besser.
1.8., 18 Uhr, Waldbühne
Ich weiß nicht, ob Bill Direen immer noch ständig in Berlin weilt oder nur kurz Zwischenstation macht; der ehemalige Literaturdozent ist auf jeden Fall einen Besuch wert. Schließlich bietet er als quasi dauertourender Außenposten Neuseelands den direktesten Zugriff auf die popmusikalischen Qualitäten vom anderen Ende der Welt, auch wenn er schon seit Jahren nicht mehr zu Hause war. Ob nun solo oder mit seinen Bands, die mal The Builders, mal The Bilders, mal Die Bilder hießen, kultiviert er mit stoischer Ruhe und ohne Unterlaß einen überaus persönlichen Popversuch, der sich ständig spröde sperrt trotz niedlichster Melodien. Eine Eigenschaft, für die Neuseeland seit Mitte der 80er Jahre berühmt ist, aber auch zum (zumindest finanziellen) Scheitern anderer hoffnungsvoller Musikanten von der Insel der Schafe führte. Direen kochte musikalisch und organisatorisch schlauerweise immer auf Sparflamme, fand sein bescheidenes Auskommen und kann deshalb auch weiterhin Menschen wie uns beglücken mit seinen kleinen Perlen, die nie so richtig hochglänzen wollen.
2.8., 21 Uhr, Die Insel, Alt- Treptow 6
In der allseits beliebten Disziplin des Crossovers üben sich auch Murphy. Die wackelige Hängebrücke zwischen Hardcore und HipHop ist längst zur sechsspurigen Autobahntrasse geworden. Der Funk-Metal von Murphy fährt auf eingefahrenen Straßen, aber die Geschwindigkeit ist immer noch gleichbleibend hoch. Wer nennt die Namen, zählt die umgesetzten Millionen? Das Quartett aus Göttingen groovt, kann fröhliche Gitarrenriffs und hat einen Sänger, der ohne Stottern rappen kann. Gute Laune garantiert. Fragt sich nur noch, warum unsere Freunde immer noch auf den Plattenvertrag warten: „Wir sind jung, erfolgorientiert und unterschreiben jeden Scheiß“, behaupten sie mit gespielter Naivität.
Mit Eaten By Sheiks, 3.8., Duncker, Dunckerstraße 64, Prenzlauer Berg, Eintritt frei
Aus dem Geburtsland vieler dumpf daherwummernder Maschinenklänge kommen Blindfold. Die vier aus Belgien verlangen ihren Gitarren einiges ab, quälen ihre Stimmbänder, aber leider hört man es kaum. Mag sein, daß die Produktion einfach zu schlecht ist, aber wenn ihre Platte „Restrain The Thought“ denn ernstgemeint ist, dann haben sie ein Problem, das nach Behandlung schreit. Andererseits kann es manchmal sehr interessant sein, anderen bei der Problembewältigung zuzusehen. Die Musik von Blindfold entwickelt mit der Zeit einen hypnotischen Sog, in dessen Verlauf man im Matsch plötzlich unglaubliche Strukturen zu erkennen glaubt. (Nein, ich bin nicht bekifft!) Ein Effekt, der an die Wipers erinnert, auch wenn Blindfold bei weitem metallischer sind und auch schon mal im Hardcore wildern.
3.8., 22 Uhr, K.O.B., Potsdamer Straße 157, Schöneberg Thomas Winkler
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