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Durchs DröhnlandPittiplatsch spielt Pearl Jam in Clubatmosphäre

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

So wie andere Menschen immer nervös auf dem Stuhl rumrutschen, sich an den Ohrläppchen zupfen und am Kopf kratzen, so machen die Pale Nudes Musik. Das Quartett mit seiner amerikanischen Rhythmusgruppe, dem Schweizer Gitarristen und der Schweizer Sängerin/Saxophonistin/Akkordeonistin dudelt und breakt und lärmt und folkt und wasweißich. Kaum ist eine Idee aufgegriffen, ist sie auch schon wieder verworfen. Schon das Wort Rhythmusgruppe ist unangebracht. Die Stimmbänder von Amy Denio wollen sich nicht recht zwischen kitschigem Geflöte, trockenem Folk oder arabischen Melodielinien entscheiden. Dabei spielen die fahlen Nackten keine Fusion, sondern stellen ihre klitzekleinen Errungenschaften in klitzekleine Fächer nebeneinander – ein musikalischer Setzkasten, jedenfalls so unübersichtlich, wenn auch nicht so spießig.

Heute, 23 Uhr, Pfefferberg, Schönhauser Allee 176, Prenzlauer Berg

Lange schon haben wir unsere skandinavischen Freunde nicht mehr besucht, jene, die so wenig Schwierigkeiten haben, anerkannte Rock-Modelle 1:1 zu adaptieren. Neueste schwedische Errungenschaft sind die Backyard Babies, deren übermächtige Vorbilder unüberhörbar Guns N'Roses sind. Herr Borg bemüht sich um eine perfekte Axl-Rose- Kopie, also Augen zu und durch. Wann schon sonst kann man solches Stadionrockformat in heimeliger Clubatmosphäre genießen?

Morgen, 23 Uhr, Eimer, Rosenthaler Straße 68, Mitte

Wie sich Wege doch trennen können. Als Stan Webb Ende der 60er die Band Chicken Shag gründete, konnte er kaum ahnen, daß sich seine Klavierspielerin später bei Fleetwood Mac eine hübsche Villa in Kalifornien zusammengassenhauerte, während er jedes Jahr ein Jahr älter wird, jedes Jahr die einschlägigen Etablissements dieses Planeten bereist und dort die Blues-Legende macht.

Morgen, 22 Uhr, Franz, Schönhauser Allee 36–39, Prenzlauer Berg

Hat uns das noch gefehlt? Klassischer Gitarrenrock, verknüpft mit den Errungenschaften moderner Technologie? Da wären zum einen Filter, ein Duo aus Cleveland, deren eine Hälfte fünf Jahre in der Bühnenbesetzung von Nine Inch Nails zugange war. Von dort hat man gewisse Industrial-Elemente mitgebracht und ein leicht herrisches Pathos. Doch auch wenn hier nichts zersplattert und zerplatzt, wird es Oliver Stone lieben. Von der Grundstruktur spielen Filter einen eher gemütlichen Hardrock, in dessen Lücken hysterisch die Sequencer stoßen.

Mittenmang dagegen gehen God Lives Underwater, die auch als Duo begannen, aber inzwischen zum Quartett gewachsen sind. In Pennsylvania liebt man zwar offensichtlich Rock, spielt aber viel intensiver mit dem Computer. Dort wird nicht nur die Rhythmik verstärkt, sondern auch die alte Synthie-Pop-Mottenkiste ausgegraben, in der sich viele lustige Pieps- und Qietschgeräusche finden lassen. Das hört sich mal an, als könnten They Might Be Giants mehr bedienen als ihren Anrufbeantworter, oder Pittiplatsch und Schnatterinchen stellten im Bravo-Magazin unter Regie der Augsburger Puppenkiste die Erfolgsgeschichte von Pearl Jam nach.

Regurgitator sind ein Trio aus dem australischen Brisbane und die derbste Umsetzung obiger Idee. Sie verwenden Loops von Dr. Dre und bekennen eine Schwäche für Reggae, zu hören ist davon aber nicht sehr viel. Der ständige Wechsel zwischen Trash- Metal, Hörspielen, Industrial und Dub-Phasen ist zwar anstrengend, aber auch der interessanteste Ausweg aus der Sackgasse Hardcore seit langem.

Mo., 27.11., 20.30 Uhr, Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg

Das hätte Quentin Tarantino sicher gefallen: Billy Moffett's Playboy Club nehmen ihn in ihren Verein auf und nennen ihre Musik fortan Pulp-Folk. Das paßt natürlich zu den kleinen, aber dafür um so blutrünstigeren Miniaturen des Oldenburger Duos, das Low-Fi und Homerecording schon betrieben hat, als es noch nicht mal erfunden war. Im Wohnzimmer werden in brüchigem Englisch immer noch allerliebste Geschichten erzählt wie die vom Serienmörder, dessen liebste Opfer Weihnachtsmänner sind. Auch sonst kokettiert man gerne mit dem kaputten Mannsein, haßt alles, was auch nur den Ruch des politisch Korrekten hat, spielt den Sexisten, Ex- Knacki, Antiveganer und Tierquäler, und schindet die zersoffenen Stimmbänder, was musikalisch zu einer düsteren Chansonvariante führt, die sich selbst durchsetzt, wenn der Club den von ihm favorisierten Dreivierteltakt spielt. Und plötzlich liegt Oldenburg ganz nah an Wien.

Mi., 29.11., 20.30 Uhr, Insel, Alt- Treptow 6

Irgendwie ist das doch ein Scheißjob, das ganze Leben lang als größter/bester/tollster/noch lebender Singer/Songwriter gehandelt und von einer Roots-Musik- Fernsehdokumentation zur nächsten weitergereicht zu werden, aber das Geld verdient dann wieder Bob Dylan mit einer langweiligen Platte (oder, noch schlimmer: Wolfgang Niedecken mit einer Platte voller nicht ganz so langweiliger Dylan-Songs in dafür extra langweiligen Versionen auf kölsch). Aber zurück zu unserem stillen Helden: Townes van Zandt wurde von der Süddeutschen Zeitung zum „größten aller unbekannten Songwriter“ erklärt, vom Stern zum „besten Songschreiber der Welt“, und der Spiegel erkannte einen „skurrilen Komiker“. Was wieder nur mal beweist, daß Medienaufmerksamkeit noch lange keine Verkäufe garantiert. Allerdings: Früher mußte man seine wenigen Platten als teure Importe kaufen, die letzte (und erste seit sieben Jahren) wurde dafür nur in Europa veröffentlicht. Aber van Zandt kann leben, wenn auch mehr von den Tantiemen, wenn Kollegen Hits aus seinen Songs machen, als von den eigenen Platten. Aber er hat den Alkohol überstanden und die Einsamkeit in den Bergen. Er mußte sie überstehen, um darüber schreiben zu können.

Mi., 29.11., 20.30 Uhr, Loft

Die klassische Hardcore- Schule bieten Mentally Damaged aus Hamburg mit Dead-Kennedys-Gesang und zwei Rhythmuswechseln pro Song. Mit das Beste, da ist sich die Fachpresse einig, was es in dem Bereich hierzulande momentan gibt.

Do., 30.11., 22 Uhr, Duncker, Dunckerstraße 64, Prenzlauer Berg, Eintritt frei!

Als 1979 Lowell George starb, gab es Little Feat eigentlich nicht mehr. Nur noch eine erbärmliche Band, die vom Ruhm vergangener Jahre lebte und sich verdientermaßen auflöste. Dann fanden sie doch tatsächlich einen Sänger, der selbst die obskure Intonation von George nachmachen konnte, und waren nach ihrer Reunion als die exakte Kopie ihrer selbst sogar noch erbärmlicher. Als der George-Impersonator selbst vom Ersatzdasein genug hatte, taten die nicht sonderlich ehrenvoll Ergrauten doch tatsächlich mal was Überraschendes und engagierten eine Sängerin. Und die Soul- Stimme von Shaun Murphy war mit das Beste, was Little Feat in mehr als einem Vierteljahrhundert Bandgeschichte passiert ist. Plötzlich hat die einzigartige Melange aus Country, Blues, Cajun und sonstiger Folklore doch tatsächlich den Modergeruch des Museums wieder abgelegt. Positive Überraschung, wirklich.

Do., 30.11., 20 Uhr, Huxley's Neue Welt, Hasenheide 108, Neukölln Thomas Winkler

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