Durchs Dröhnland: Beach Boys mit geweiteten Pupillen
■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche
Wenn der zweimalige DJ-Weltmeister mittut, ist man ja verpflichtet, technisch immerzu Höchstleistungen zu bieten. Entsprechend berstend vor Einfällen, schillernd in den Sounds und emotional hochfliegend sind Alliance Ethnik. Die Franzosen schrecken nie vor weichstem Soul zurück, selbst wenn er wie Baisers zu zerfließen droht. Die Bässe wummern tief und fett, Bläser räuchern die Luft, verschwenderische Samples blubbern im Hintergrund, und Fingerkuppen werden wundgescratcht. Aber trotz des alles umarmenden Ansatzes, wo jederzeit die Gefahr des Kunstgewerbes droht, groovt es ständig. Die riesige multikulturelle Posse bringt sich ein, ohne daß der HipHop auch nur einen Moment zerbröselt.
Heute, 22 Uhr, Pfefferberg, Schönhauser Allee 176, Prenzlauer Berg
Fröhlich abgehenden Durchschnittspunkrock bieten Crassfish aus Hannover, der einzig dadurch aus dem Rahmen fällt, daß Crissi Ramos hin und wieder auf spanisch singt. Auch das ist dann schön melodiös und ohne große Kanten. Besonders hübsch, wenn „La Bamba“ dran glauben muß.
Heute, 21.30 Uhr, Schoko-Laden Mitte, Ackerstraße 169/70
„Freispiel“ ist ein Film des Regisseurs Burkhard Steger und des Musikers Arno Steffen über das gleichnamige Musikprojekt. An vier Tagen im November 1993 trafen sich etwa 40 MusikerInnen völlig verschiedener Stilrichtungen, um zusammen zu spielen. Dabei waren Jakie Liebezeit (Can), Thomas Schwebel (Fehlfarben), Jaz Coleman (Killing Joke), Gabi Delgado (D.A.F.), Andy Gill (Gang of Four), Lothar Meid (Amon Düül), Gudrun Gut (Malaria), Franz Treichler (Young Gods) u.v.a. Die Kombinationen wechselten ständig, eine wilde Jammerei ging los. Am ersten Abend wird im Filmrauschpalast nicht nur der Film gezeigt, zusätzlich treten im Rahmenprogramm auch noch Blaine L. Reiniger (Tuxedomoon), Billy Currie (Ultravox) und die Berliner Element of Crime auf.
Heute Film und Konzert, morgen und Sonntag Film, jeweils 20 Uhr, Filmrauschpalast, Kulturfabrik Lehrter Straße 35, Moabit
Viele Worte machen die meist nicht, dafür verraten die Songtitel schon einiges von dem, was man wissen muß: „Enemy Inside“ oder „Slave“. Mit Les Hommes Qui Wear Espandrillos versucht sich mal wieder eine deutsche Band an einem – vielleicht zu Unrecht – in letzter Zeit etwas ins Hintertreffen geratenen Genre. Ihr Noise- Core hat viel gelernt von den einschlägigen New Yorker Vorgaben, sprich: Pussy Galore oder den früheren Sonic Youth, glänzt aber durch einen gewissen akademischen Eifer, der nicht immer sein müßte, doch die fehlende Wut zumindest kaschiert und auf ein anderes Niveau führt.
Morgen, 23 Uhr, Pfefferberg
Skunkhour zu hören ist verwirrend, um das mindeste zu sagen. Man kann sich niemals entscheiden, aus welchem Jahrzehnt man denn nun die Assoziationen holen möchte. Mal drängen sich die 70er auf, um im nächsten Moment von den 90ern abgelöst zu werden. Die Australier spielen einen knorke schlappenden Funkrock wie aus den übelsten Zeiten der Gap Band und einen feisten Metal-Funk-Crossover – in einem Song. Keine Hemmungen vor Radio-Stoff, aber die Kombination läßt einen zugleich kopfschüttelnd und kniezuckend zurück.
Dienstag, 26.3., 21 Uhr, Knaack, Greifswalder Straße 224, Prenzlauer Berg
Ihr erstes Vierteljahrhundert haben Tower of Power schon vor einer Weile hinter sich gebracht. Jetzt haben sie sich mal wieder einen Sänger engagiert und bestehen darauf, sie seien eine normale Soul-Band. So hören sie sich auch an. Was sie außergewöhnlich macht, ist die Geschichte ihrer Bläsersektion. Allein auf sie gründet sich der Ruhm der Kapelle. In den 70ern lieferten sie die schärfsten, exaktesten und saftigsten Bläsersätze weltweit, weswegen sie bis in die 80er hinein vor allem von ihren Studio-Jobs gut leben konnten. Kunden waren u.a. Elton John, Santana, José Feliciano, Huey Lewis, Eurythmics und selbst die Rolling Stones.
Dienstag, 26.3., 20 Uhr, Metropol, Nollendorfplatz, Schöneberg
Den Flaming Lips habe ich eines meiner beeindruckendsten Konzerterlebnisse zu verdanken. Mit der Musik hatte das allerdings weniger zu tun, mehr mit den beiden Stroboskopen, die auf den Boxen standen und dem Publikum voll ins Gesicht flimmerten. Nach zehn Minuten sah man das Schwarzlicht zwar nicht mehr, aber fühlte sich, selbst wenn man stocknüchtern war, wie auf einem Drogencocktail von Badewannengröße. Die Drogen nahm dafür dann wohl die Band selbst, weswegen ihre Platten meist ein zerfasertes Etwas voller guter Ideen, aber ohne jeden Fluß wurden. Sie überspannen bis heute den Bogen von den Beach Boys bis zum Metal, ohne daß ihre Pupillen kleiner werden. Live aber kann das durchaus sehr wundervoll sein.
Mit Papas Fritas, Mittwoch, 27.3., 20.30 Uhr, Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg
Chokebore verbanden zwar ganz schweinchenschlaumäßig Low-Fi-Geschrammel mit melodiösen Punkausbrüchen, aber die ganze Sache war dann doch zu disparat, um an die Erfolge der beiden Pole, sprich Beck und Nirvana, anzuknüpfen. So bleiben sie eine Band, derer man sich nicht zu schämen braucht, die zwar nicht ganz eingängig ist, aber doch immer gut konsumierbar bleibt. Freundliche Melodien von freundlichen Exil-Hawaiianern mit der nötigen Portion Rückkopplungsablaßschmerz.
Donnerstag, 28.3., 21 Uhr, Huxley's Junior, Hasenheide 108, Neukölln
Sie sind zwar jetzt groß, richtig GROSS, vor allem im Land der unbegrenzten Möglichkeiten, Punkrocken selbst bei David Letterman das Haus zu Schutt und springen dann hübsch fotogen mit grünen Haaren in ein rein zufällig bereitstehendes Wasserbecken. Aber trotzdem, das muß man zugeben, sind sie ganz die alten geblieben, authentisch und so, sagen immer noch „Fuck You“ und sorgen in guter Tradition dafür, daß ihre Ticketpreise (zumindest in den USA) verträglich bleiben, da legen sie Wert drauf. Green Day sind immer noch eine klasse Band, aber wer möchte seine kleine, nette Entdeckung aus der vorletzten Saison schon mit Millionen anderen teilen?
Donnerstag, 28.3., 20 Uhr, Arena, Eichenstraße 4, Treptow
Auch in Frankreich weiß man, wie man Lärm macht. Peter Plane bemühen sich, einem großen, dicken wuscheligen Gitarrenpelz die Läuse rauszuprügeln, dann wird sehr menschenfreundlich gesungen, der Kopf geschüttelt und sich überhaupt gut amüsiert.
Donnerstag, 28.3., 22 Uhr, Duncker, Dunckerstraße 64, Prenzlauer Berg, Eintritt frei!
Thomas Winkler
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