Durchs Dröhnland: Jimi in der Mülltonne
■ Die besten und schlechtesten Konzerte der kommenden Woche
Man nennt Gitarre, Baß und Schlagzeug sein eigen, ist Anfang zwanzig, zu dritt unter Männern und die letzte und vorletzte Stärkung des britischen Popselbstbewußtseins. Supergrass wurden von den königlichen Medien zum heißen Ding dieses Sommers erkoren, den Stereophonics könnte Vergleichbares blühen. Doch während Supergrass ziemlich ausgiebig und nervtötend darauf bauen, daß man ja noch jung sei und Fehler machen könne beim Dreistsein und mit dem Pop und so, legen die Stereophonics Wert darauf, eine richtige, ernstzunehmende Band zu sein und demnächst die Welt erobern zu wollen. Dazu spielen die Waliser einen meist fröhlichen Poprock, der mit seinen knorke knackenden Gitarrenriffs an manche amerikanische Postpunk-Band wie die Doughboys erinnert, andererseits aber auch ein paar englische Angewohnheiten beibehalten hat wie eine zeitweise Lakonie des Sangesvortrags. Kurz gesagt: Das geht gut ab, kann sogar mal mitgesummt werden und denkt heute nicht nach, was es morgen damit anrichtet. Gutfühlmusik, die sich nicht doof anhört.
25. 10., Trash, Oranienstraße 40/41, Kreuzberg
Ein durch und durch britisches Phänomen sind auch die Levellers. Die verkaufen im Königreich ihren eher seichten Folkrock gleich lastwagenweise, und von ihren Singles lassen sie Dance-Remixe fertigen. An Chumbawamba merkt man, daß es in Britannien momentan für den finanziellen Erfolg wohl zumindest nicht störend ist, sich explizit politisch zu äußern. In gewisser Weise haben auch die Levellers den Boden dafür bereitet, haben sie ihre exponierte Position doch immer für Engagement genutzt, wenn auch für sanfteres. Für die Proteste gegen den „Criminal Justice Act“ sollen sie sogar ihren guten Freund Peter Gabriel gewonnen haben. Inzwischen haben sie auch das Institut zur Institution geschaffen: In ihrer Heimatstadt Brighton haben sie ein ganzes altes Fabrikgebäude gekauft, um es zur Bandzentrale mit Studio, Büros, Wohnungen und Redaktionsräumen ihres eigenes Magazins auszubauen. Maggie Thatcher würde sich freuen über soviel Eigeninitiative junger Menschen.
25. 10., 21 Uhr, Kulturbrauerei/ Kesselhaus, Knaackstraße 97
Man stelle sich vor, Jimi Hendrix hätte sich eines schönen Tages mit Oscar aus der Mülltonne besoffen. Zusammen hätten sie vielleicht solch eine Musik gemacht wie Penthouse. Das Quartett kommt aus London, wo man heutzutage das Erbe des Blues erfolgreicher zu verwalten scheint als in dem Land, wo er ursprünglich erfunden wurde: Ebenfalls in der Hauptstadt leben Gallon Drunk, die Country Teasers sind Schotten. Vielleicht schafft der räumliche Abstand die nötige Knautschzone, die dazu führt, daß all diese Bands es wagen, den Blues eben nicht nur zu bewahren, sondern ihm mit allem nötigen Respekt seine Zähne zurückzugeben. Die gar nicht sanfte Modernisierung führt in den meisten Fällen zu Noiseanfällen, Rückkopplungen, anderen fiesen Geräuschen und durch die Lippen gepreßtem Gesang. Der dreht sich des öfteren um die zweitschönste Nebensache der Welt, was Penthouse (nomen est omen) den Sexismus- Vorwurf eintrug, gegen den sie sich nun wehren.
27. 10., 22 Uhr, Tacheles,
Oranienburger Straße 53–56
Der Sänger kommt von Cannibal Corpse, der Gitarrist war mal bei Obituary, der Bassist bei Death und Massacre, nur der Trommler ist bisher noch relativ unbeschrieben, aber das reicht, um Six Feet Under schnell zur Supergroup des Death-Metal zu machen. Da stimmen natürlich alle Umstände: die souverän dumpfe Produktion aus den im Genre lange schon legendären Morrisound Studios in Tampa, Florida, das tiefe Röhren von Chris Barnes, die Texte über dunkle Gräber, hirnfressende Würmer, ungehörte Schreie und brutale Blutlust. „Meine liebsten Momente sind es“, hat Barnes verraten, „wenn ich mit einem Blatt Papier dasitze und Texte schreibe. Da habe ich immer das größte Lächeln im Gesicht.“ Lieber Chris, uns geht es genauso, wenn wir die Dinger dann lesen.
27. 10., 21 Uhr, Trash
Wenn man Ben Harper so hört, kann man leicht das Gefühl kriegen, der Mann kann sich nicht entscheiden. Mal läßt er seine Band einen verzerrten 70's-Rock spielen, mal flötet er folkig daher, mal dubbt er sich ganz zart durch einen Reggae namens „Jah Work“. Der Rolling Stone bescheinigte Harper, seine Stimme könne locker das Spektrum zwischen Cat Stevens und Al Green ausfüllen. Da ist was dran, aber genau diese Unentschlossenheit könnte ihn zum reinen Kopisten machen und zum Verhängnis werden.
30. 10., 20.30 Uhr, Loft,
Nollendorfplatz
Als 7 Days noch nicht allzu alt waren, gaben sie als Einfluß Buffalo Tom an. Damit stellte sich die Potsdamer Band ausgerechnet in eine Tradition, die zu diesem Zeitpunkt kaum noch jemanden interessierte. Andererseits war der Vergleich recht stimmig: breit, breitere, breiteste Gitarrenwände, die langsam aufgebaut, dann wieder abgetragen werden; die Rhythmusgruppe hält meistenteils ein gemütliches Midtempo; Gesangslinien sind episch, darunter machen wir es nicht. Dann nannten sie ein Demo-Tape „Popsongs“, aber das war einfach irreführend. Inzwischen haben sie ihre erste Mini-LP „Whispering“ veröffentlicht. Manchmal flüstert Lars Ziegener tatsächlich, immer dann, wenn die Gitarren mal Pause machen, damit sie dann wieder um so lauter losbrettern dürfen. Doch 7 Days sind nicht nur einer der wenigen Fixpunkte der kleinen Potsdamer Szene, man steht auch auf der anderen Seite der Bühne: Wenn Ziegener nicht Gitarre spielt, ist er der Verantwortliche im Lindenpark- Keller, Schlagzeuger Matthias Stenzel macht das Programm im Waldschloß.
30. 10., 22 Uhr, Duncker,
Dunckerstraße 64, Eintritt frei Thomas Winkler
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