Durchs Dröhnland: Auf der Autobähn
■ Die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche
Vor gar nicht allzu langer Zeit wären No One Is Innocent eine Hardcore-Band geworden. Heutzutage sind sie eine Hardcore-Band, die mit Samples experimentiert. Das ändert zwar kaum was an ihrem Sound, der so böse stampft, daß man am besten die Kinder aus der Schußlinie bringt, aber es sorgt doch für einen gewissen Anstrich von Innovation. Ansonsten ist alles beim alten: Die fünf aus Frankreich wünschen mit böse keifender Stimme alles zum Teutel, was Scheiße und irgendwie nicht nett ist, darunter die „Nomenklatura“, „Autobähn Babies“ und „Chile“. Womit sie unzweifelhaft recht haben, aber wer gerade keine Lust hat, sich anschreien zu lassen, ist hier fehl am Platz.
30.11., 21 Uhr, Trash, Oranienstraße 40/41, Kreuzberg
Als Otto Rehhagel noch kein Goethe-Fan war, der sich vor allem selbst gerne reden hört, war Werder Bremen noch eine nette Mannschaft mit dem einen oder anderen Erfolg. „Deutscher Meister wird der SVW“ sangen die Mimmis schon, als Werder noch auf Rang 12 rumgurkte. Man hatte extra für diese Single den alten Namen Slipeinlage abgelegt, aber weil man trotzdem keine Plattenfirma fand, wurde kurzerhand das Weser- Label gegründet. Eine einmalige Aktion sollte das damals bleiben, aber Werder wurde Vizemeister, der Song ein lokaler Hit, und inzwischen wird das Label 15 Jahre alt. Punkrock mag zwar keiner mehr hören, aber da oben im Norden ist man stur: Die Mimmis heißen jetzt Fabsi & der Peanutsclub, hören sich aber nicht wesentlich anders an. Die legendären Lurkers, mit dabei bei der Jubiläumstour, wollten sich vor fast zehn Jahren eigentlich nur für einen einzigen Auftritt noch ein allerletztes Mal zusammentun. Außerdem in der Startaufstellung: Der Wahre Heino, Heiter bis Wolkig und die Painlaicher Buam.
2.11., 20.30 Uhr, Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg
Die netteste Coverversion- Überraschung, seit die Celibate Rifles „Hot Stuff“ zum besten gaben, liefern dieser Tage Cake mit ihrer Version von Gloria Gaynors „I will Survive“. Sie haben die olle Disco-Kamelle völlig auf den Kopf gestellt, den Glamour abgezogen und durch ihre gnadenlose Trockenheit ersetzt. Andererseits aber bauen sie dieses ebenso überflüssige wie übertrieben musikhandwerkliche Gitarrensolo ein und beweisen damit zum einen, daß das Ding doch tatsächlich ein wirklich guter Song ist, andererseits, daß die Grenze zwischen Ernst und Parodie bei ihnen nicht fließend, sondern eher gar nicht erkennbar ist. Bestenfalls die Trompete geht als eindeutiger Lacher durch, aber selbst da kann man sich bei Cake nicht wirklich sicher sein. Ihr erster kleiner Hit im amerikanischen College-Radio hieß „Rock 'n' Roll Lifestyle“ und erwischte genau diesen unter der Gürtellinie. Das verschaffte Cake allerdings das Image einer Fun-Kapelle, weswegen sie den Song nicht mehr spielen. Vorerst gibt das Quintett aus Sacramento die Kreuzung aus Ween (Humor), Camper Van Beethoven (Spleen), Pavement (Knarz) und Jonathan Richman (Nettigkeit) ab. Sänger John McCrea hat für seine Gitarre einen Verstärker, der kaum größer ist als ein Kofferradio und von dem er sagt, daß er „wirklich lausig, wirklich gut“ klingt. Das reicht auch aus, soll ja noch Platz für die Trompete bleiben. Selten vorher hat man einen solch transparenten Sound gehört, der auch dann immer wiedererkennbar bleibt, wenn die Band wild durch die Stile von Pop zu Country zu Funk und Folkrock und wieder zurück wandert, was sie ständig tut.
5.11., 20.30 Uhr, Loft
„Fünf Jungs“ machen auch in Salzgitter „eine Band“, wie Catty Caress selbst feststellen. Weiter geben sie zu, „lederbejackt“ zu sein und „immer rauchend“. Wenn das mal keine Qualitätsmerkmale sind für eine Band, die einen Düsterrock spielt, wie ihn sich seit Jahren niemand mehr getraut hat. Auch wenn sie versuchen, weil das im Moment alle machen (s. a. weiter oben bei No One Is Innocent) ein paar Samples einzubauen, rekonstruieren sie doch vor allem ungebrochen und unbeleckt von allen zeitgemäßen Entwicklungen ein letztes Mal das Bild des blassen und haareschmeißenden Jungmanns, der die Höllenfahrt als so eine Art Betriebsausflug mit Feuerwerk propagiert. Hier allerdings mit mildernden Umständen: Der Vater von Sänger Matthias Schaper ist Pfarrer.
6.11., 22 Uhr, Duncker, Dunckerstraße 64, Prenzlauer Berg, Eintritt frei
Wenn in Europa alle Ausweitungen geweitet, alle Modifizierungen modifiziert und alle Versuche versucht sind, scheint den Asiaten immer noch was einzufallen. Nicht umsonst haben sich eine Menge Musiker, die zu den innovativsten unseres Kulturkreises gehörten, den östlichen Kulturen zugewandt, als sie an ihre Grenzen stießen. „Noise & Liebe“ nennen Klangkrieg Prod. ihre beiden japanischen Abende. Den ersten bestreiten: The Ruins, die alles spielen, wenn es nur Lärm macht, außer sie sind gerade ganz leise. Aktaten machen komische Geräusche auf komischen Geräten und hören sich manchmal sogar an wie Jazz. Zubi Zuva X machen einen auf a capella, weniger Wohlmeidende könnten wohl sagen, sie brüllen einfach rum. Und der Bassist Tsuyama Atsushi verbindet mittelalterliche Folklore mit Elektronik. Aus Rationalisierungsgründen braucht der Japaner für diese vier Projekte Insgesamt aber nur drei verschiedene Musiker, Tolshog aus Berlin heben den Schnitt da gewaltig. Personalintensiver wird der Freitag: Einfach nur Krach machen Third Organ, während Contagious Orgasm und Hanayo die Turntables bedienen. Daran versuchen sich auch Brezel Göring, Hotleg, Sebastian Hilken, Terminal Hz, MIss Berlin & die Axt, Massaka und GabbaNation.
6.11., 21 Uhr, 7.11., 22 Uhr, Die Insel, Alt-Treptow 6, Treptow Thomas Winkler
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