Durchs Dröhnland: Jungs und ihre Jungsmusik
■ Die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche
Hardcore aus New York war schon immer ein wenig härter als das Zeugs aus dem Rest der Welt. Eine Band wie 25 Ta Life mag man sich zwar nicht unbedingt anhören wollen, aber in einer Stadt, die auch sonst allerlei Superlative im Angebot hat, reiht sich sowas nahtlos in die Bestenliste ein. Sänger Rick Ta Life ist immer auf Weltrekordjagd: Dreadlocks bis zum Arsch, kein Zentimeter Haut ohne Tattoo, Wagenladungen Schweiß, die mördermäßigste Stimme diesseits des Sargs, Gitarren ohne Gnade und Geboller ohne Ende. Auch nicht schlecht, die aufs Allernötigste reduzierten Texte. „Stand your ground/ Don't back down/ Don't give in/ Never“. Nur Ignoranten werden die Schönheit, auch wenn sie hier meist allein in der Schlichtheit liegt, ignorieren können. Der Rest ist Kopf-rauf-und-runter-Schütteln. Immer drauf auf den Thekenrand, weil's so schön ist, wenn der Schmerz wieder nachläßt.
Mit Spirit of Youth und Airado, 19.6., 20 Uhr, SO 36, Oranienstraße 190, Kreuzberg
David John Hull ist ein Bassist, der irgendwannmal in Berlin hängengeblieben ist. Mit Naklade hatte er eine Band, die an etwas übertriebener Intellektualität krankte, obwohl Hull eher die Mentalität eines Straßenmusikers in seinem viel zu weiten Wintermantel mit sich herumträgt. Seit dem Ende von Naklade zupft er den Bass bei Zimtfisch und betreibt vor allem Solo-Exkursionen. Auf seiner jetzt erscheinenden Platte „Kitchen Recs“, die so heißt, weil alle Songs in seiner Küche in Prenzlauer Berg entstanden sind, ist der vorsichtige Glamour früherer Aufnahmen nun endgültig verschwunden, statt dessen bröckelt die zerbrechliche Seele, nur notdürftig begleitet von akustischer Gitarre und seltenem zusätzlichem Instrumentarium. Die übermächtigen Vorbilder Bowie und Reed haben sich verabschiedet, nun gedenkt der Manne in seiner wundervoll brüchigen Stimme natürlich der Liebe, erinnert sich aber auch seiner Heimat: „Smell on my fingers makes me think of England.“
Record Release Party am 20.6, 22 Uhr, Schoko-Laden Mitte, Ackerstraße 169–170, und am 2.7., Junction Bar, Gneisenaustraße 18
Ganz offensichtlich schwer verzweifelt versucht die nicht gerade kleine Plattenfirma von Esthero, ihr frisches Produkt auf dem Markt zu plazieren. Die CD gibt's zum „Discovery Price“ und momentan werden Konzerte mit freiem Eintritt organisiert, um das Duo aus Toronto mit Macht bekannt zu machen. Die Frage, die sich da aufdrängt, ist natürlich die: Ist die Musik tatsächlich so schlecht, daß sie das nötig hat? Die Antwort ist: Jein. Esthero machen etwas zu gefälligen, aber hübsch angejazzten Pop, der eine leicht melancholische Grundstimmung vom TripHop adaptiert, ein nett tröpfelndes Klavier sein eigen nennt, nicht vor wohltemperiertem Saxophon zurückschreckt, über sanften Elektro-Beats eine noch sanftere Frauenstimme schwererotisch dahersäuseln läßt und überhaupt kein wohlklingelndes Klischee vergißt. Das ist alles wie vom Reißbrett, und hört sich doch tatsächlich und überraschenderweise recht geschmackvoll an. Es ist die Rückkehr von Cocktail-Jazz, von Carmel und Sade, mit nur leicht aktualisierten Mitteln. Ziemlich kuschelig.
24.6., 20 Uhr, Kesselhaus der Kulturbrauerei, Knaackstraße 97, Prenzlauer Berg
Nachdem sich die Schweiz gar nicht erst für die Fußball-Weltmeisterschaft qualifiziert hat, durften die Aeronauten endlich mal richtig loslegen: „Am Tag, als wir Weltmeister wurden“, tagträumen sie auf ihrer letzten Single. Sforza, Sforza, hahaha, kann man da nur noch sagen. Aber sonst singen die Schaffhausener schon fast belastend wahrhaftige Sachen. Berühmt sind sie mit einem Lied geworden, in dem die Thirtysomethings von heute treffend wie sonst nie charakterisiert wurden: „Mit dem Alter fängt man an, sich für Countrymusik zu interessieren“, hieß es da, und ich fühlte mich nicht nur ein bißchen ertappt, schließlich hatte ich erst ein paar Monate zuvor reichlich Geld für zwei Cash- Konzertkarten auf den Tisch einer Vorverkaufsstelle gelegt: „Leise hört man Johnny Cash in ihren Mittagspausen.“ In einem etwas schleppenden, ähem, irgendwie schweizerischen Tempo wird das vorgetragen, fast stoisch vertont, aber nicht ohne doch kunstvoll dabei zu sein. Und schon lange nicht habe ich solch atmosphärische Instrumentals gehört. Zu klingen wie einer jener Filme, die an Sonntagnachmittagen im Öffentlich-Rechtlichen laufen, ohne dabei ein Soundtrack zu sein, diese Kunst ist leider ziemlich verschüttgegangen, aber nun gibt es ja die Aeronauten. Die auch auf dieser neuen Single mal wieder einige wundervoll treffende Zustandsbeschreibungen anzubieten haben: „Sie wollte mein Herz und ich gab ihr meins/ Nun hat sie zwei und ich hab keins/ Und wenn Du etwas hörst nachts an deinem Ohr/ Es ist nicht mein Herz, es ist nur deine Uhr.“ Ach, was soll man sagen: Hingehen, trotz und gerade wegen WM.
24.6., Uni Potsdam, Sommerfest Open-air mit Tap Two und Pushkin, 25.6., Humboldt-Uni, Unter den Linden, Hoffest
Planet 9 versuchen sich an rollenden Gitarren, die zwar schwer klingen wollen, aber eher an New Wave Anfang der 80er erinnern. Ähnlich ergeht es auch den Melodien und selbst den Stimmungen, die wie aus zweiter Hand und leicht abgenutzt wirken. Nähmen sie sich dabei nicht so ernst, sondern würden diese Qualitäten ins Ironische übertreiben, wäre die Jungsmusik der Jungs aus Dresden möglicherweise nicht mehr gar so jungsmäßig.
25.6., 22 Uhr, Duncker, Dunckerstraße 64, Prenzlauer Berg, Eintritt frei Thomas Winkler
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