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■ Düsseldorf im Streit um die rechte PromenadenmischungEine Stadt sieht blau

Düsseldorf (taz) – Darf ein Promenadenpflaster blau sein? Wie blau darf es sein? Soll und kann darüber abgestimmt werden? So etwa lauten die Schicksalsfragen, die in diesen Wochen des abziehenden Sommers und des aufziehenden Wahlkampfs die Stadt Düsseldorf aufwühlen. Alles ist eine Folge des neuen Rheinufertunnels, der das Altstadtufer vom Autoverkehr befreit hat. Solange dieser noch ebenerdig stank und strömte, gab es per se kein Problem der Promenadengestaltung. Jetzt aber erhebt es plötzlich sein Haupt und bereitet so manche Qual der Wahl.

Natürlich gab es, wie in solchen Fällen üblich, einen gutdotierten Architekturwettbewerb. Sein Sieger heißt Prof. Niklaus Fritschi. Der Haken an seinen preisgekrönten Ideen ist nur, daß die Stadt kaum noch Schotter hat, sie zu realisieren. 95 Prozent liegen nämlich im Tunnel („Jahrhundertbauwerk“) selbst verbuddelt. Übriggeblieben von Fritschis Konzept ist im wesentlichen nur die schlichte Promenade als solche. Und um die tobt nun auch noch der geistig-ästhetische Barrikadenkampf.

Ein paar Meter Probepflasterung am Rhein, derzeit argwöhnisch beäugt und begutachtet von einheimischen SpaziergängerInnen, zeigen, was der renommierte Professor vorhat. Er möchte der künftigen, knapp zwei Kilometer langen Flaniermeile ein in zwei Streifen (für Fußgänger und für Radfahrer) verlaufendes, fröhlich blaues Betonpflaster verpassen, wobei die Bodenplatten sich wellenförmig dahinschlängeln. Eigentlich eine recht sympathische Sache, wohl etwas keck, aber nicht unelegant, zumal im Zusammenspiel mit dem Blätterdach der Platanen, die man sich einstweilen noch vorstellen muß, weil sie noch nicht einmal der Baumschule entwachsen sind.

Fritschis Bodenwellen sind jedoch in solche der Empörung umgeschlagen, und angesichts des Blaus sieht halb Düsseldorf rot. „Schwimmbadblau!“ rief eine Ratsfrau aus; „Babyblau!“ wurde mittlerweile zum allgemeinen fraktionsübergreifenden Schmähwort. „Wir sind doch nicht am Strand von Benidorm“, wetterte ein Parteichef, andere fühlten sich unangenehm „an ein Einkaufszentrum in Viersen“ erinnert. „Farbe ist für die Provinz, die Weltstadt trägt gedeckt“, befand ein notorisch schwarz gekleideter Amtsleiter. Eine sogenannte Kleine Farbkommission beim Rat der Stadt versuchte in fieberhaften Sitzungen – schließlich möchte man vor den Oktoberwahlen zu Potte kommen – einen Konsens zu erzielen: vergeblich.

Derweil brach auch in den lokalen Leserbriefspalten die Farbschlacht los. „Das Blau muß weg“, forderte unumwunden ein Berufskollege von Fritschi. Die Urteile reichten von „Disneyland“ bis „Leichenhalle“. Ein sensibler Lackierermeister zeigte sich „schockiert“ von den „Kacheln“. Ein Herr Klein warnte vor der fatalen Reflexwirkung des Belags, wodurch „die Spaziergänger von unten blau angestrahlt“ und kränklich aussehen würden. Einen Herrn Bockstiegel grauste es vor den „künftigen schwarzen Kaugummiflecken“. Das Straßenbauamt hat gesundheitliche Bedenken, von dort verlautete inoffiziell, das Wellenmuster mache auf die Dauer „besoffen im Kopf“.

Nichtsdestotrotz will Architekt Fritschi nicht so ohne weiteres von seiner Blau-Pause lassen. Schließlich steckten da, sagt er nicht ohne gewissen Farbwitz, „drei Jahre Herzblut drin“. Vorsichtiges Einlenken zeigt er jedoch beim Farbton: weg vom Hellblau, mehr in Richtung eines grauen Taubenblaus soll er tendieren. Eine entsprechende neue Musterfläche wird den Düsseldorfern in Kürze zu Füßen gelegt. Olaf Cless

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