: Duden statt Krise
KRISENSPRACHE Die deutschen Medien bewegen sich im Kreis: Alles und jeder scheint in der Krise
VON SABRINA WAGNER
Ich weiß nicht mehr genau, wann sie mir zum ersten Mal aufgefallen ist: die Sache mit dem Anagramm. Eines Morgens wurde aus der neuesten Krisenmeldung ein Kreis – und in jenem dreht sich die deutsche Medienlandschaft seit Monaten. Die Metaebene der deutschen Sprache bringt es manchmal wirklich genau auf den Punkt.
Seit Monaten werden ständig neue „Krisenherde“ benannt: Wir befinden uns in der Wirtschafts-, Absatz-, Konsum-, Konjunktur- und Finanzkrise. Und glaubt man den großen Stromkonzernen, drohen eine Energie- und eine Versorgungskrise. Von Klima- und Hungerkrisen ist indes immer seltener die Rede, aber dies nur am Rande. Dem inflationären Gebrauch des Krisenbegriffes liegt offenbar eine enorme sprachliche Einfallslosigkeit zugrunde. Eine Auswahl der vergangenen zwei Medienkrisentage: Während der Hessische Rundfunk meldet, die Bestatter befänden sich in der Krise, warnt die Hessische Allgemeine „Die Krise kommt vor der Haustür an“. Der Stern entdeckt „Die Krise als Verhütungsmittel“, die Heilbronner Stimme freut sich, dass „die Krise die Examensfreude nicht trübt“. Und der SPD-Kanzlerkandidat orakelt auf Fokus Online, „die Krise wirkt wie ein Kontrastmittel“.
Wir sollten mal wieder den Duden zur Hand nehmen. In ihm finden sich nämlich jede Menge Alternativen zur Krise. Den LeserInnen empfehle ich, dem Vorschlag des Tagesspiegels zu folgen und sich „im Spaziergang aus der Krise“ hinauszustehlen. Bevor es auch Sie erwischt – in Form einer Sinnkrise.