Duell der Regisseure: „Aragami“ und „2LDK“ im 3001 : Du kommst hier nicht mehr raus
„Zickenterror“, ein schönes Wort, mit dem der japanische Film 2LDK in Hamburg angekündigt wird. Und doch auch meilenweit daneben. Die beiden Jungschauspielerinnen, die in dieser Low-Budget-Produktion von Regisseur Yukihiko Tsutsumi aufeinander losgelassen werden, liefern sich einen Kampf mit tödlichem Ausgang nicht, weil sie psychisch unausgeglichen sind. Das sind sie zwar auch, doch das Problem ist ein strukturelles. „Tokyo hat sich verändert“, sinniert die eine, während sie auf der Couch des gemeinsamen WG-Apartments liegt. „Es geht nur noch darum, zu gewinnen. Werde ich gewinnen?“
Die Matrix, vor der sich 2LDK abspielt, ist die erweiterte Konkurrenz-Ökonomie, in der kein Platz mehr ist für jeden. Vor dieser Matrix wird die Eskalation erst möglich, die Tsutsumi sehr geschickt in Szene setzt, indem er uns nicht nur hören lässt, was die beiden Mädchen reden, sondern auch, was sie denken. Die Eskalation ist keine gewollte, sie bricht vielmehr hinter dem Rücken der Subjekte hervor. Die Biografien der beiden Mädchen, die als gerahmte Fotos und Schönheitspreise das Apartment dekorieren, liefern dazu nur das Material.
Die vielen Fäden, die 2LDK auswirft, sind vielleicht nur dann zu entwirren, wenn man ihn mit seinem Gegenstück Aragami von Regisseur Ryuhei Kitamura vergleicht. die beiden Filme sind das Ergebnis eines „Duells der Regisseure“, das angeblich aus einer Bierlaune heraus geboren wurde, offensichtlich jedoch schöne Früchte trug. Die Regeln des Duells lauteten, dass beide Regisseure einen Film drehen sollten, in dem ein tödlicher Kampf auf begrenztem Raum ausgetragen wird.
Was bei 2LDK die Mädchen-WG, ist in Aragami das dunkle Innere eines Tempels, wo ein Samurai und der mysteriöse Herr des Tempels aufeinander treffen. Angelegt wie ein Schwertfilm, ist Aragami alles andere als das. Die Kampfszenen nehmen nur wenige Minuten ein, den Rest der Zeit beschäftigt sich der Film mit philosophischen Fragen: Woher weiß ich, wer ich bin? Und wenn ich es nicht weiß, kann ich trotzdem darauf Einfluss nehmen?
Während Identität in Aragami auch eine Frage der Entscheidung ist, scheint sie in 2LDK vorgegeben. Beide Mädchen haben sich längst im Netz der Projektionen verstrickt, sie sind das, was ihre Mütter oder auch sie selbst von sich erwarten.
So ist es paradoxerweise eher Kitamuras Samuraifilm, der durch einen winzigen Spalt die Freiheit hereinlässt. In 2LDK dagegen zappeln die Protagonistinnen wie lebensgroße Puppen, und es gibt kein Entrinnen und keine Gnade. Fast so wie im richtigen Leben. Daniel Wiese
Ab Donnerstag: „2LDK“: 21 Uhr, „Aragami“: 22.30 Uhr, im 3001