: „Du bist so'n Pedant, du mußt Beamter werden“
■ Vom Stift zum Vorstands-„Ältesten“ - der arbeitsame Traum von Friedo aus Oslebshausen, der zur Sparkasse ging / Drei Fragen an Friedrich Rebers
Die Sparkasse wird Sie nicht gezeugt haben. Woher stammen Sie, von den Pfeffersäcken, von den Handwerkern...?
Also, ich bin der Sohn eines Arbeiters. Weil ich so viele Geschwister hatte, waren meine Eltern froh, daß sie wenigstens einen - ich war der Älteste - los waren: Ich bin bei meiner Großmutter aufgewachsen, die Kriegerwitwe war, in Oslebshausen. Da habe ich 35 Jahre gewohnt. Da habe ich eigentlich auch, naja, armes, spartanisches Leben kennengelernt. Meine Oma bekam 83 Mark Monatsrente. Und ich habe oft erlebt, drei oder vier Tage vor Rentenzahltermin, daß ich die letzten 50 Pfennig kriegte, um ein Pfund Schwarzbrot zu holen. Und einmal habe ich - das werde ich mein Leben nicht vergessen - diese 50 Pfennig noch verloren. Das war das letzte nun. Das mußte nachher angeschrieben werden. Ich habe daher doll arbeiten gelernt.
Meine Oma hatte einen Garten, und ich bin als Junge schon wenig zum Spielen gekommen. Ich hatte Kaninchen und ich hatte Hühner zu versorgen, den Garten - Erbsen pflanzen, Bohnen pflanzen, das kann ich alles. Und ich habe getischlert, gemauert, verputzt, wenn was im Haus kaputt war. Ich hab‘ sogar als Junge schon das ganze Haus in Ölfarbe gestrichen.
Na ja, und eines Tages nun, das war 1944, da hat meine Oma gesagt: „Junge, du bist so ein Pedant, du arbeitest immer so genau, du mußt Beamter werden, nicht. Bewerb‘ dich mal bei der Post oder bei der Sparkasse.“ Bei der Sparkasse, hat sie gesagt, da haben sie immer so schöne blaue Anzüge an. Ich weiß nicht, ob Sie sich das vorstellen können, damals gab es Aufklärung überhaupt nicht in beruflichen Bereichen: Ich hatte keine Ahnung, was man da macht: in der Sparkasse. Und dann bin ich genau in diesem Zimmer hier gewesen, 1944, da mußte ich mich vorstellen. Die Sparkasse hat mir als erste eine Zusage gegeben, daß ich als Lehrling am 1.4. 1945 anfangen kann.
Und das vergesse ich auch nicht: Den ersten Tag, da bin ich dann abends nach Hause gekommen - ich mußte ja sehr lange Zeit zu Fuß gehen von Oslebshausen, jeden Tag anderthalb Stunden hin, anderthalb zurück, weil die Straßenbahn teilweise ausgebombt war - und da fragte mich meine Großmutter: „Was machst Du denn da?“ Ja, ich war in die Registratur gekommen. Aber dieses Wort „Registratur“, da konnte ich nicht drauf kommen, wie das heißt. „Was mußt Du denn da machen?“ - „Belege sortieren.“ „Ach, Registratur.„ -„Ja! Registratur!„Und das fand ich alles so toll: Registratur und Expedition. So ist mein Weg losgegangen.
Dann habe ich gedacht: Mein Gott, du bist niemand, dich kennt keiner, du kennst keinen, du kommst aus Oslebshausen. Das war schon was besonderes für die Nachbarn, der Friedo geht zur Sparkasse, das war schon 'n Status. Damals gab es 400 Mitarbeiter bei der Sparkasse, ja Mensch, wie willst du dich da überhaupt profilieren. Ich hab‘ sehr schnell erkannt, daß man das nur ganz allein machen kann. Und weil ich immer gut arbeiten konnte und mir nie etwas zuviel war, habe ich mich mit ganzer Kraft da hineingelegt. Pflichterfüllung, das wurde bei mir immer groß geschrieben, und Einsatzfreude war immer da. Ich war dann sehr früh Handlungsbevollmächtigter, mit Anfang 30 kriegte ich Prokura, hab‘ mich aber auch mit ganzem Herzen dieser Sparkasse verschrieben.
Wieviel Stunden arbeiten Sie?
Ich komme morgens um halb neun, und ich gehe abends um elf, halb zwölf hier aus dem Hause, ich bin auch schon mal um halb eins vom Hof gefahren.
Und Ihre Frau findet das gut?
Na, gut nicht. Es hat viele Auseinandersetzungen deswegen im Laufe des Lebens gegeben. Aber eins kann man immer nur. Ich hab‘ immer gesagt: „Ich bin für die Sparkasse, und du bist für die Familie da.“ Ich habe zwei Kinder, die das vielleicht auch nie so eingesehen haben, der Vater war ja nie da. Der hat jeden Tag gearbeitet, und Sonnabends und Sonntags sitze ich zu Hause am Schreibtisch. Da erlaube ich mir mal, eine Stunde oder zwei im Garten zu arbeiten und vielleicht sonntags abends 'ne Stunde mit dem Fahrrad zu fahren, dann auch noch durch den Bürgerpark, um zu sehen, wie da die Arbeiten vorangehen. Ansonsten ist mein Leben die Sparkasse und die Ehrenämter. Das kann man wahrscheinlich auch nur, wenn einem das solchen Spaß macht. Ich bin immer freudig gestimmt und denke oft: Schade, daß du nicht noch 'ne Stunde mehr hast. Und Sonntags freue ich mich schon wieder auf Montags. Vielleicht habe ich auch deshalb so eine Lust dazu, weil alle Dinge, die ich angepackt habe, letztendlich von Erfolg gekrönt waren. (...) Böttcherstraße, solche Dinge liegen mir, wo Häuser sind, wo man sanieren kann. Bürgerpark: Bäume, Wege, Uferbefestigungen, wo ich richtig powern kann, wo man was sehen kann, das tue ich gern. Fragen: U
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