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„Du bist geboren als ein Nichts“

■ Banker und Bomben in der Deutschen Oper

Berlin (taz) - Anlaß zur Freude bei den IWF-Gegenaktivisten: Jetzt hat auch die in Berlin versammelte Finanzwelt sie zur Kenntnis genommen. Der Chef der Deutschen Bank, Herrhausen, begrüßte am Sonntag abend die Banker, die seiner Einladung zu einem Ballettabend in die Deutsche Oper gefolgt waren, nicht nur mit der Aufforderung, sich doch bitte ganz genau die Mauer anzusehen, sondern auch mit der „Hoffnung“, daß alle auch die Demonstration gegen IWF und Weltbank mitbekommen hätten - dann wüßten sie jetzt, was Freiheit ist.

Doch an diesem Abend war Freiheit die Freiheit des Veranstalters, und so wären die Vertreter des Dritte-Welt -Journalisten-Netzwerks um ein Haar unsanft von Polizisten in Abendgarderobe aus dem Etablissement entfernt worden, als sie beim anschließenden Empfang ihr Bulletin verteilen wollten. Erst nach viel gutem Zureden durften sie noch an der Schlacht ums Buffet teilnehmen.

Für den vorangegangenen Kunstgenuß hatte sich die Deutsche Bank etwas Besonderes ausgedacht. Nicht nur hatte man mit dem Stuttgart-Ballett das beste Ensemble der Republik engagiert. Auch die Programmauswahl erwies sich als pädagogisch-passend. Denn in der „Gaite Parisienne“ von Jaques Offenbach und Manuel Rosenthal muß sich ein talentierter Tänzer bis zum Gehtnichtmehr immer dieselben Sätze anhören muß: „Arbeiten mußt du, arbeiten, hart arbeiten, nur arbeiten.“ Und dann: „Du bist geboren als ein Nichts, und du wirst sterben als ein Nichts.“ Der Proleten -Passion auf der Bühne angemessen war dann auch das Essen hinterher: Das Zentrum der bundesdeutschen Oligopole ließ statt Kaviar diesmal Heringshäppchen reichen.

ulk .

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