Druck bei Afghanistan-Engagement: US-Regierung warnt vor Spaltung der Nato
Nato-Generalsekretär de Hoop Scheffer und Bundesverteidigungsminister Jung haben US-Versuche zurückgewiesen, mit Drohungen Druck auszuüben.
GENF taz Steht die Nato, deren 27 Verteidigungsminister in Vilnius zu ihrer zweitägigen Frühjahrstagung zusammenkamen, wegen des bündnisinternen Streits um die Lastenverteilung in Afghanistan vor einer Spaltung? Mit einer entsprechenden öffentlichen Warnung versuchte US-Verteigungsminister Robert Gates unmittelbar vor dem Treffen den Druck auf Deutschland und andere Allianzmitglieder zu erhöhen, ihr militärisches Engagement in Afghanistan sowohl geografisch als auch auf aktive Kriegseinsätze auszuweiten. Wie der in der Regel sehr US-hörig agierende Nato-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer widersprach auch Bundesverteidiungsminister Franz Josef Jung zum Auftakt der Frühjahrstagung Gates Einschätzung.
In einer öffentlichen Anhörung vor dem Streitkräfteausschuß des US-Senats hatte Gates am Mittwochnachmittag erklärt: "Ich habe große Sorgen über die Entwicklung der Nato in eine zweigeteilte Allianz, in der es einige Partner gibt, die für die Sicherheit anderer bereit sind zu kämpfen und zu sterben, und andere, die dazu nicht bereit sind." Wenn dieser Zustand anhalte oder gar noch schlimmer werde, werfe das einen Schatten auf die Zukunft der Allianz, unterstrich der US-Verteidigungsminister.
In europäischen Nato-Kreisen wird darauf verwiesen, Streit über eine "gerechte Lastenverteilung" habe es in der 59-jährigen Geschichte der Nato "immer wieder gegeben," zumeist angefacht durch Forderungen der USA an ihre europäischen Partner. Auch früher habe Washington schon versucht, mit Befürchtungen und Warnungen vor einer Spaltung der Allianz oder einer Reduzierung des US-Engagements Druck auszuüben. Allerdings hat die aktuelle Debatte eine neue Qualität, denn sie findet erstmals in der Geschichte der Nato vor dem Hintergrund eines von der Allianz geführten heißen Krieges statt.
Beim Streit um Lastenverteilung geht es nicht mehr nur um die Erhöhung nationaler Rüstungsetats in den Nato-Mitgliedsländern oder die Anschaffung bestimmter Waffensysteme, sondern um einen Kriegseinsatz mit ständig wachsenden Verlusten unter den nationalen Nato-Kontingenten, die in Afghanistan aktiv Krieg führen.
Von deutschen Sicherheitspolitikern ist dieser Tage häufig zu hören, die Forderungen aus Washington wie auch Gates Auftritt vor dem Streitkräfteausschuss seien in erster Linie innenpolitisch bedingt. Die Bush-Regierung wolle noch einen über ihre Amtszeit hinausreichenden Militärhaushalt für 2009 mit hohen Ausgaben für Afghanistan und Irak im Kongress durchsetzen; dann würden die Forderungen bald wieder verstummen. Das aber ist eine Illusion: Alle drei verbliebenenen KandidatInnen für die Präsidentschaftswahl im November werden, einmal im Amt, die Forderungen an Deutschland und andere Verbündete nach einem größeren militärischen Einsatz in Afghanistan eher noch verstärken.
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