EUROPA MUSS AUF AUSLIEFERUNG VON KRIEGSVERBRECHERN BESTEHEN : Druck auf Serbien ist weiter nötig
Man hört ja schon das Raunen auf den Gängen der internationalen Institutionen: Jetzt, nach der Bildung der proeuropäischen Regierung, müsste man die Koalitionsregierung unter Vojislav Koštunica stützen, anstatt sie in Bedrängnis zu bringen. Die ständigen Aufforderungen des UN-Kriegsverbrechertribunals an Serbien, die flüchtigen Ratko Mladić und Radovan Karadžić, festzunehmen, nerven da nur. Sie begrenzen den Spielraum für taktisches Verhalten vor allem der europäischen Politiker. Offen kann man sich ja nicht gegen das UN-Tribunal aussprechen. Doch die Eile, mit der Erweiterungskommissar Olli Rehn nach Belgrad raste, um nach der Bildung der neuen Regierung sogleich Gespräche anzubieten, verheißt nichts Gutes. Schon zu oft haben die Brüsseler und andere die Chefanklägerin Carla del Ponte im Regen stehen lassen.
Der Vorwurf, Europa und die UN hielten sich nicht an die eigenen, eigentlich unumstößlichen Prinzipien, ist ja auch nicht aus der Luft gegriffen. Um den Serben Kosovos entgegenzukommen, macht man sie im Ahtisaari-Plan zu einer Minderheit erster Klasse, die anderen Minderheiten, die Roma, Türken, Bosniaken und Goranj, gucken in die Röhre. Wie verträgt sich das mit den für alle gleichen Menschenrechten? Und der Internationale Gerichtshof sprach Serbien sogar vom Vorwurf des Völkermordes in Bosnien frei, obwohl doch niemand ernsthaft bestreiten kann, dass der Krieg in Bosnien von Belgrad aus geleitet wurde. Alles geschieht, um dem „alten Serbien“ den Weg in die EU zu ebnen.
Es ist zu befürchten, dass Europa in der Frage der Kriegsverbrecher wieder einmal einknickt und die Entscheidung über den Kosovo hinauszögern will. Anstatt durch eine klare Haltung die serbische Gesellschaft zu zwingen, sich von den Geistern der Vergangenheit loszusagen, unterstützt Europa immer wieder Kompromisse gerade mit diesen. Dagegen müsste sich Serbien erst einmal selbst aus den Fesseln der Vergangenheit befreien. Das „neue Serbien“ gibt es zwar schon im alten, setzte es sich politisch wirklich durch, würde es in Europa höchst willkommen sein. ERICH RATHFELDER