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Drohungen Moskaus gegen Litauen

■ Staatschef schließt Anwendung von Präsidialmacht nicht aus / Präsidentensprecher will Energie abdrehen

Moskau (afp) - Im Konflikt mit Litauen hat die Moskauker Partei- und Staatsführung der Sowjetunion gestern die Tonart verschärft. Staatschef Michail Gorbatschow drohte der abtrünnigen baltischen Republik mit der Anwendung seiner Präsidialbefugnisse. Präsidentensprecher Arkadi Maslennikow drohte der litauischen Regierung mit neuen „wirtschaftlichen, politischen und anderen Maßnahmen“, um sie zur Rücknahme ihrer Unabhängigkeitserkärung vom 11. März dieses Jahres zu bewegen.

In einer Rede vor dem Kongreß der kommunistischen Jugendorganisation Komsomol erklärte Michail Gorbatschow nach Angaben der sowjetischen Nachrichtenagentur 'Tass‘, die Führung des Landes bemühe sich um eine politische Lösung der Krise in Litauen. Im äußersten Fall schließe er aber auch die Anwendung seiner neuen Präsidialmacht nicht aus.

Sie erlaubt dem Staatschef unter anderem die Einsetzung eines persönlichen Vertreters, der dann die Geschicke der betroffenen Republik leitet. Die Unabhängigkeitserklärung Litauens bezeichnete Gorbatschow als „abenteuerlich“, jedoch sei die Lage noch nicht irreversibel. Er sprach sich für ein Referendum aus, bei dem die Litauer über ihre Unabhängigkeit entscheiden sollten. Der sowjetische Staatschef zeigte sich überzeugt, daß die Litauer sich zwar dann für eine Unabhängigkeit aussprechen würden, dabei aber ihre Bindungen mit allen anderen sowjetischen Republiken bewahren wollten. Diese Frage müsse dadurch gelöst werden, daß die Föderation reformiert und nicht aufgespalten werde.

Präsidentensprecher Maslennikow hatte am Morgen erklärt, Moskau sei mit der Antwort Litauens auf den Appell Gorbatschows „nicht zufrieden“. Die Antwort sei nicht konstruktiv und führe in eine Sackgasse. Der Sprecher wollte keine Einzelheiten über die geplanten Wirtschaftsmaßnahmen gegen Litauen nennen, schloß allerdings eine totale Blockade aus. Maslennikow deutete jedoch an, daß einige sowjetische Unternehmen ihre Lieferungen an Litauen einstellen könnten dies gelte insbesondere für den Energiebereich.

Bereits am Montag abend hatte der sowjetische Präsidialrat die jüngste Stellungnahme Litauens in der Frage der Unabhängigkeit der Republik als unbefriedigend zurückgewiesen. Präsident Gorbatschow hatte Litauen zehn Tage zuvor aufgefordert, vor einem Dialogbeginn die Unabhängigkeitserklärung zurückzunehmen. Die Abgeordneten in Vilnius hatten in ihrer Antwort auf den Appell Gorbatschows den Willen zur Selbständigkeit bekräftigt. Präsident Vytautas Landsbergis hatte betont, es sei alles verhandelbar außer der Unabhängigkeit.

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