Drohender Stimmverlust in Bayern: CSU flirtet Grüne an
Eine schwarz-grüne Koalition ist in Bayern nicht ganz unwahrscheinlich. Ein Fürsprecher könnte Europaminister Markus Söder werden.
MÜNCHEN taz Es ist in Bayern momentan die am häufigsten genannte Uhrzeit - zumindest bei der politischen Elite: 18.03 Uhr am 28. September. Dann - direkt nach Schließung der Wahllokale - werden die ersten Hochrechnungen über die Bildschirme flimmern und andeuten, wie es weitergehen könnte im Freistaat.
Erreicht die CSU das immer wieder beschworene "50 plus x"? Oder kommt mit dem Einzug von drei weiteren Parteien die - zumindest parlamentarische - Revolution? Chancen ausrechnen können sich die Freien Wähler (FW) mit Frontfrau Gaby Pauli, die Liberalen und die Linken. Scheitern die drei jedoch knapp, verschenken sie knapp 15 Prozent der Oppositions-Wählerstimmen. Für die CSU würde das bedeuten, dass sie im Bayerischen Landtag über eine bequeme Mehrheit der 180 Abgeordenten verfügen kann.
"Am 28. September um 18.03 Uhr muss klar sein, dass es keine Zitterpartie gibt", forderte Ministerpräsident Günther Beckstein jüngst in einem Interview. Dabei weiß Beckstein genau, dass der Weg bis dahin trotz klaren Zieles durchaus unsicher ist. Mal liegt die CSU ein paar Punkte über der magischen Marke, mal ein paar darunter.
Was aber kann Beckstein tun, wenn es nicht mehr alleine reicht für die CSU? Wer würde sich als Nothelferlein der Beinahe-Staatspartei hergeben? Aus der CSU bekommt man hier kaum direkte Antworten. "Jetzt warten wir mal 18.03 Uhr ab", heißt es stets.
Dennoch geht der Blick natürlich bereits über 18.03 Uhr hinaus. Klar schient so viel: Eine seit Jahrzehnten schwache SPD will sich die CSU nicht ans Bein binden, über eine große Koalition redet niemand. Fraglich scheint auch eine Koalition mit der FDP - falls diese überhaupt in den Landtag einzieht. Zwar kündigte Ex-Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger an, die Liberalen würden sich "sehr konstruktiv" einbringen, stünde Bayern vor einem Umbruch. Beckstein jedoch wies das Angebot mit deutlichen Worten zurück: "Mich schüttelt es bei dem bloßen Gedanken, dass so etwas käme", sagte er der Abendzeitung.
Auch die Freien Wähler - deren Personal sich aus zahlreichen unzufriedenen ehemaligen CSU-Kommunalpolitikern zusammensetzt - haben sich bereits als Partner angeboten. Doch ist es unwahrscheinlich, dass sich eine CSU-Regierung an einen Tisch setzt mit Gaby Pauli, der neuen "Galionsfigur" der Freien Wähler. Und Parteichef Hubert Aiwanger verkündete, dass die Grünen seiner Ansicht nach der natürliche Koalitionspartner der CSU seien.
Dem widersprechen zwar sowohl CSU-Chef Erwin Huber als auch Sepp Daxenberger, der legendäre grüne Bürgermeister von Waging, Parteichef und Landtagsspitzenkandidat. Tatsächlich aber arbeiten beide Parteien an manchen Orten bereits zusammen. In Landshut etwa, einer Stadt mit CSU-Mehrheit, stellen die Grünen nach einem Wahlerfolg im März den zweiten Bürgermeister, in München gibt es in manchen Bezirksausschüssen eine Zusammenarbeit.
Zugleich öffnet sich die CSU grünen Themen. Nachhaltigkeit oder erneuerbare Energien sind für Beckstein kein Fremdwort. Eifrigster Vorreiter und Motor in dieser Entwicklung ist übrigens ein Politiker, der bei den Grünen- Wählern nie auf der Rechnung war: Markus Söder. Der bayerische Europaminister und Ex-Generalsekretär ist in Wartestellung, strebt nach Höherem. Und auf dem Weg dorthin tätschelte er im Mai bei Kerners TV-Talk das Knie von Claudia Roth so sehr, dass sie nach der Sendung beinahe ohne Einschränkung von ihm schwärmte.
Söder will den Freistaat zur gentechnikfreien Zone erklären. Und als neuer Chef des Nürnberger CSU-Verbandes legte er ein Thesenpapier mit dem Titel "Das ökologisch-bürgerliche Profil stärken" vor. Die CSU müsse "glaubwürdig" für Klimaschutz, Tierschutz und gesunde Lebensmittel eintreten. Klingt nach interessanten Voraussetzungen für eine neue Konstellation. Sofern um 18.03 Uhr die Zeichen auf Wechsel stehen. MAX HÄGLER
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!