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■ Drogenpolitische KollateralschädenFoltermethoden

betr.: „Kameruner liegt im Sterben“, „Handlanger in Weiß“,taz vom 12. 12. und 14. 12. 01

Ein junger Mensch sollte durch Foltermethoden zum Erbrechen gebracht werden, erleidet einen Herzstillstand und liegt im Koma. Die Methode selbst wird dabei kaum in Frage gestellt. Laut einigen Hardlinern eben „ein sehr bedauerlicher Einzelfall“. Wohl ein Kollateralschaden“ einer effizienten Drogenpolitik? Wie lange wird man noch versuchen, uns eine längst gescheiterte und menschenverachtende Politik als sinnvoll und notwendig zu erklären?

Name ist der Redaktion bekannt

Da findet sich also eine Gruppe von richtig prima Menschen, die eine Strafanzeige gegen eine Ärztin stellt, weil diese einen politisch entschiedenen und fachlich angeordneten Eingriff mit bis dahin üblicherweise geringen „Nebenwirkungen“ ausführt. Ohne Kenntnis der Beteiligten erlaube ich mir, dieser Ärztin keine besondere Freude an derartigen Aufgaben zu attestieren. Sich vorzustellen, was es für sie bedeutet hätte, diese Aufgabe zu verweigern, bedarf wohl keiner großartigen Fantasie.

Der Brechmitteleinsatz an sich gehört nun, nach einem derartig tragischen Zwischenfall, sicherlich auf den Prüfstand – aber dieses Engagement für einen wiederholt beim Crackdealen Erwischten würde ich mir für die Menschen wünschen, die man durchaus – wenn auch mittelbarer – als seine Opfer bezeichnen kann. Und das für einige geistig Fehlgeleitete dabei die Hautfarbe eine Rolle spielt, macht noch lange nicht jeden zum Faschisten, der sich mit Mitleid für Crackdealer schwertut. Und schon gar nicht die ausführende Ärztin, bei der so ein Zwischenfall erstmals auftritt, zur Straftäterin. B. DÜRHOLT, HAMBURG

Ich studiere im 10. Semester Medizin und habe auch schon die ein oder andere Magensonde gelegt. Dem Tatverdächtigen wurde unter Einsatz von Gewalt eine Magensonde gelegt und über diese das Brechmittel „Ipecacuanha-Sirup“ instilliert. Es ergeben sich bei den von B 90/Grüne, Schill + Co. gutgeheißenen Brechmitteleinsätzen „medizinisch“ zwei Probleme:

1. Das Legen einer Magensonde an sich ist nicht besonders schwer – es gibt zwei mögliche Gefahren: einmal, dass die Schleimhäute durch die Sonde verletzt werden; zweitens, dass die Magensonde statt in die Speiseröhre in die Luftröhre gelegt wird. Unter „normalen Bedingungen“ sind beide Komplikationen, von denen die zweite mit Erstickungsgefahr einhergeht, extrem unwahrscheinlich. Vorausgesetzt, dass der Patient während des Legens der Sonde sitzt, den Vorgang durch „Schlucken“ unterstützt und die Lage der Sonde in der Speiseröhre kontrolliert wird. Wie dies alles bei einer Person, die sich wehrt und von vier (!) Polizisten fixiert wird, gehen soll, ist mir unbegreiflich.

2. Die Suchmaschine „Lycos“ liefert etliche Beiträge zu dem Brechmittel Ipecacuanha-Sirup, die zeigen, dass dieses höchst umstritten ist. Einerseits sind die Dosierungsrichtlinien reichlich verwirrend. Andererseits enthält das Präparat (das dem pflanzlichen „Brechwurz“ entspricht) das Alkaloid Emetin, welchem auch eine kardiotoxische (herzschädigende) Wirkung zugesprochen wird. Bei dem beschriebenen „Brechmitteleinsatz“ kam es zu einem Herzstillstand. Dieser kann natürlich mannigfaltige Ursachen haben. Allerdings stimmt es mich mehr als nachdenklich, dass in einer „außerordentlichen“ Lage echte Gefahren für Menschen bestehen. Mich wundert es sehr, dass die „alte“ rot-grüne Landesregierung von der medizinischen Gefährdung nichts gewusst haben soll. Haben die keine Fachkräfte, die sich mal die Mühe machen, eine halbe Stunde in der Literatur zu recherchieren? Bei einem Roland Schill, der laut über die Todesstrafe nachdenkt, wundern mich fehlende Skrupel im Bezug auf Tatverdächtige weniger. THOMAS KRATZ, MARBURG/LAHN

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