Dritte Runde der US Open: Bloß keine Auszeit nehmen
Tommy Haas und Andrea Petkovic ziehen in die nächste Runde der US Open ein. Nervosität und Schmerzen scheinen sie nur noch mehr zu motivieren.
NEW YORK taz | Tommy Haas sah zufrieden aus. Nach seinem Sieg in der zweiten Runde steckte er in einem schlichten, schwarzen T-Shirt, trug die Baseballkappe wie eh und je mit dem Schirm im Nacken und erzählte mit zunehmender Begeisterung, was ihn nach all den Jahren, nach all den Verletzungen, Unterbrechungen und Comebacks noch immer daran fasziniert, Tennisprofi zu sein.
Natürlich sprach er von den großen Momenten eines Spiels, vom Gefühl, den Zuschauern nahe zu sein, und davon, auch deren Nähe zu spüren. Aber er beschrieb auch die Nervosität beim Abendessen am Tag vor einer Partie, die Zweifel und den unruhigen Schlaf in der Nacht, den Druck im Magen auf dem Weg zum Platz und die quälende Vorstellung, wie der Schlagarm in entscheidenden Momenten schwer und schwerer wird.
Und das Erstaunliche dabei war: Diese Sammlung eher ungemütlicher Momente hörte sich so an, als beschreibe er einen stimmungsvollen Sonnenaufgang. Stress ist in diesem Geschäft offenbar als Ernergetikum im Angebot, als Elixier.
"Ich weiß, dass ich all das nach dem Ende der Karriere wahrscheinlich nie wieder haben werde", sagt Haas. Selbst die vielen Verletzungen haben seiner Begeisterung nichts anhaben können, und das erklärt eben auch, warum er noch dabei ist, obwohl die Gelenke ächzen, die Knochen wehtun und die Muskeln nicht mehr so elastisch sind wie früher.
Der Älteste in Runde drei
An manchen Tagen sieht man davon nichts. So wie beim Spiel gegen Alejandro Falla aus Kolumbien, nach dem er behauptete, da habe man vielleicht den alten Tommy Haas gesehen; er meinte den jungen, den von früher. Kaum zu glauben, wie viel Zeit seit seinem ersten Auftritt bei den US Open vergangen ist; das war 1996, er war 18 Jahre alt und verlor in vier Sätzen gegen Michael Stich.
Inzwischen ist er 33 und damit der Älteste in Runde drei, ist Vater einen kleinen Tochter, und die US Open 2011 sind sein 46. Grand-Slam-Turnier. So wie er beim Sieg gegen Falla spielte, könnte man sich auch vorstellen, dass es 50 werden.
Aber es gibt natürlich auch die anderen Tage mit den Spielen, in denen er nur entfernt an jenen Mann erinnert, der viermal das Halbfinale bei einem der Grand-Slam-Turniere erreichte (bei den Australian Open 99, 02, 07 und in Wimbledon 2009) und dreimal das Viertelfinale in New York (04, 06 und 07). Erinnerungen zuhauf, ein Album voller Emotionen. Und es gibt anscheinend immer noch Platz für weitere Seiten, auch wenn es wehtut.
Denn irgendwie sind sie alle kleine Junkies, deren Herz schon beim Gedanken an die himmlische Hölle des Spiels schneller schlägt. Und vielleicht ist genau das auch die Erklärung dafür, warum sich Andrea Petkovic trotz des Meniskusanrisses im rechten Knie einer Gefahr aussetzt, die sie nicht berechnen kann.
Auf anderthalb Beinen
Nach dem Spiel gegen die Chinesin Zheng Jie berichtete sie, im ersten Satz sei sie nach einem scharfen Schmerz im rechten Knie kurz davor gewesen, aufzugeben. Sie sagt, mit einem dauerhaften, eher gleichbleibenden Schmerz sei leichter umzugehen als mit diesen Attacken, nach denen sie sich ein paar Minuten lang nicht mehr richtig bewegen könne und demzufolge dann auch keine Chance habe.
Doch sie dachte: So geht es nicht; entweder du rennst auch in die Ecken, oder du lässt es bleiben, denn sonst gewinnst du keinen Blumentopf. Also riss sie sich auch diesmal wieder zusammen, zwang sich, den Schmerz zu ertragen, und schaffte es tatsächlich, das Spiel in drei Sätzen zu gewinnen. Auf anderthalb Beinen, sozusagen.
Und das Risiko? "Ich bilde mir ein, dass ich ein gutes Körpergefühl habe", sagt sie, "dass ich einschätzen kann, wann es gefährlich wird. Ich glaub, es kann mich keiner davon abhalten, zu spielen, wenn es nicht krach macht." Sprachs, zog sich um und ging zum nächsten Spiel auf den Platz, zum Doppel mit Julia Görges.
Tommy Haas gehört offensichtlich zu denen, die das verstehen. "Sie kann sich ja nach dem Turnier eine Auszeit nehmen", sagt er. Theoretisch, ja.
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