Drei Jahre nach Machtübergabe: Kubas Aufbruchstimmung ist verflogen
Vor drei Jahren hat Raúl Castro die Macht übernommen. Doch die angekündigte Öffnung ist ausgeblieben. Stattdessen wird der Radius von Dissidenten eingeschränkt.
BERLIN taz | "Das Land ist da, und hier sind die Kubaner", rief Raúl Castro und deutete in die Menge. Nicht jammern, nicht klagen, sondern anpacken lautete die Parole, die Kubas Staatschef an diesem Sonntagmorgen in Holguín ausgab. Dort, in der Provinzstadt im Osten der Insel, wurde der 56. Jahrestag des Auftakts der Revolution in relativ bescheidenem Rahmen begangen. Zweihunderttausend Menschen lauschten den markigen Worten des 78-jährigen Staatschefs, der die Bevölkerung zum zweiten Mal in Folge auf harte Zeiten einschwor.
Die Einnahmen aus Exporten, so berichtete Castro, seien stark zurückgegangen, und auch bei den externen Finanzquellen sei es zu Restriktionen gekommen. Obendrein habe Kuba auch weiter unter den Folgen der drei Hurrikane zu leiden, welche die Insel im letzten Jahr verwüsteten und rund sechshunderttausend Wohnungen zerstörten. Diese Faktoren stellen die Insel in der Tat zusammen mit der globalen Finanzkrise vor große Probleme, die kaum zu schultern sind.
Einziger Ausweg sei es, zu produzieren, mahnte der Staatschef in seiner beigen Militäruniform. Doch die Produktion, vor allem in der Landwirtschaft, liegt seit Jahren darnieder. Daran hat auch das staatliche Angebot der Landvergaben nichts ändern können. Das Interesse ist mau, so sind laut Castro gerade 39 Prozent der angebotenen Flächen verteilt worden. Zu wenig, um die steigende Abhängigkeit von Nahrungsmittelimporten zu reduzieren, die laut manchen Berichten bis zu 80 Prozent beträgt. Kritiker der Regierung wie der Wirtschaftswissenschaftler Oscar Espinosa Chepe werfen dem ehemaligen Armeechef vor, genau die strukturellen Reformen, die er einst selbst angekündigt hatte, nicht durchgeführt zu haben. "Kuba wirkt wie erstarrt. All der Pragmatismus, den man sich von Raúl Castro erhofft hatte, ist ausgeblieben."
Von der Aufbruchstimmung, die Raúl Castro nach seinem offiziellen Amtsantritt im Februar 2007 verbreitet hat, ist nichts übrig geblieben. Schon am 30. Juli hatte er von seinem erkrankten älteren Bruder Fidel zunächst kommissarisch die Macht übernommen. Doch neue Initiativen der Regierung hat es auch an diesem 26. Juli nicht gegeben. Dabei braucht die Wirtschaft dringend neue Impulse.
Maßnahmen wie die Gewährung von mehr Freiheiten für Privatunternehmer oder die Gründung von kleinen Genossenschaften in der Landwirtschaft hätte Oscar Espinosa Chepe erwartet. Stattdessen blieb es beim Appell Castros, sich nicht hinter Ausflüchten wie dem Handelsembargo zu verstecken.
Wenig Ermutigendes für die Kubaner. Die bekamen auch wenig davon mit, dass letzte Woche die EU-Kommissarin für Auswärtige Beziehungen, Benita Ferrero-Waldner, in Kuba weilte, um die Kooperation mit der Insel zu intensivieren. Insgesamt 41,5 Millionen Euro soll Kuba in diesem Jahr aus der Europäischen Union bekommen, womit die diplomatische Eiszeit der letzten Jahre endgültig überwunden sein dürfte.
Ob sich dies, wie von der EU erhofft, positiv auf die Menschenrechtssituation auswirkt, ist umstritten. Wenige Stunden nach der Abreise von Ferrero-Waldner wurde der Mediziner und Dissident Darsi Ferrer von der Polizei festgenommen. Der Leiter eines alternativen Gesundheitszentrums zählt zu den fundiertesten Kritikern der offiziellen Gesundheitspolitik, eines traditionellen Aushängeschilds der Revolution. KNUT HENKEL
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