: Drei Antimilitaristen verurteilt
■ Münchner Gericht verhängt drei Schuldsprüche wegen „Verfassungsfeindlicher Einwirkung auf die Bundeswehr“
Aus Müchen Werner Leitner
Wegen „Verfassungsfeindlicher Einwirkung auf die Bundeswehr“ (Paragraph 89 Strafgesetzbuch) verurteilte die Staatsschutzkammer beim Landgericht München I einen Hamburger Angestellten (32) zu acht Monaten Haft mit Bewährung, einen Münchner Koch (24) zu einer Jugendstrafe und einen Münchner Azubi zu 90 Tagessätzen a 15 Mark. Die Staatsanwaltschaft warf dem Koch und dem Angestellten vor, als Verfasser von zwei Flugblättern „Rekrutenabschied“, einer „Antigebrauchsanweisung für den Barras“ und einem Beiblatt „Kameraden, machts wie ich, verweigert das Gelöbnis“ in „Untergrabungsabsicht“ planmäßig auf die Bundeswehr eingewirkt zu haben. Diese Flugblätter waren an drei Müchener Kasernen an neu einrückende Rekruten verteilt worden. Eine dieser Verteilungen wurde dem Azubi zur Last gelegt. Die Angeklagten räumten diese Vorgänge im wesentlichen ein, beriefen sich jedoch auf ihre antimilitaristische Grundhaltung in der Tradition eines Karl Liebknecht. Im übrigen entspräche der Inhalt der Flugblätter den tatsächlichen Verhältnissen in der Bundeswehr, wo immer noch natio nalsozialistisches Gedankengut an der Tagesordnung sei. Aufgefallen war der Prozeß auch dadurch, daß sich ein vom Gericht angeforderter ziviler Sicherheitsbeamter als Mitarbeiter des Verfassungsschutzdezernates beim LKA entpuppte. Als möglicher Zeuge wurde er von der Teilnahme am Prozeß aus geschlossen, und der Staatsanwalt mußte eingestehen, diesen Sachverhalt „vergessen“ zu haben. In ihren von den zahlreichen, mit den Angeklagten sympathisierenden Zuschauern beklatschten Plädoyers wiesen die Verteidiger darauf hin, daß hier ihrer Ansicht nach nur die Gesinnung der Angeklagten verfolgt werden solle und es sich bei Paragraph 89 um die Fortschreibung der unseligen „Wehrkraftzersetzung“ aus der Nazizeit handele. Als unverhältnismäßig hoch und bei diesem Sachverhalt einmalig bezeichneten die Verteidiger vor allem die Haftstrafe. Die Revisionen zum Bundesgerichtshof wurden bereits inoffiziell angekündigt.
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