: Dramaturgie der eskalierenden Ereignisse
■ Mit Wille zur Überhöhung: Welcome II The Terrordome von der schwarzen Regisseurin Ngozi Onwurah
Der Himmel. Das Meer. Der Strand. So beginnt der Film Welcome II The Terrordome der schwarzen britischen Filmemacherin Ngozi Onwurah. Der Anfang dauert vielleicht zehn Minuten. Danach werden wir den Himmel und das Meer erst am Schluß wiedersehen. Denn von der Anfangssequenz aus – im 17. Jahrhundert ertränkt sich eine Sklavenfamilie in den Südstaaten der USA lieber im Meer, als ihr Sklavendasein zu ertragen – führt Ngozi Onwurah den Film mit einem kühnen Schnitt in eine unbestimmte und doch vielleicht nicht ganz unbestimmte Zukunft: nach Terrordome.
Terrordome, das ist ein Slum, ein Ghetto, ein Moloch, eine Schwarzensiedlung, deren Einwohnerzahl längst die Millionengrenze überschritten hat, ein Alptraum. Terrordome, das ist Babylon. Während des Films ist dort ständig Nacht. Das hat seinen Grund: Nichts ist hier weiter weg als der Himmel. Bereits Kleinkinder nehmen harte Drogen, auf den Straßen herrschen rivalisierende Gangs. Und nichts ist weiter weg als das Meer, Terrordome ist eingezäunt.
Großartig, wie Ngozi Onwurah in diesem Szenario den Überblick behält, wie sie ihre Geschichten erzählt, sie miteinander verwebt und sie schließlich zum Ende hin synchronisiert. Es sind Geschichten von alltäglicher Gewalt, von Rache, Erzählungen von der Ausweglosigkeit, und eingewoben ist eine Liebesgeschichte zwischen einem Schwarzen und einer Weißen, die in der Katastrophe endet. Das ist nun alles nicht neu. Aber das Besondere an Welcome II The Terrordome ist gar nicht das, was der Film erzählt (obwohl ein so unrelativierter Aufruf einer Figur zur Gewalt gegen Weiße nun bestimmt nicht alltäglich ist); das Besondere ist, daß er es aus einer schwarzen Perspektive erzählt, und besonders ist vor allem die ästhetische Kraft, mit der er das tut.
Die meisten amerikanischen schwarzen Filmemacher, die in letzter Zeit von sich reden machten, bleiben dem Realismus verhaftet. Ngozi Onwurah hat dagegen den Willen zur Überhöhung. Sie versieht die Handlung mit einer mythischen Rahmenerzählung. Dazwischen gibt es innerhalb ihrer Dramaturgie der eskalierenden Ereignisse immer wieder Tableaus einer großartig choreografierten, hochstilisierten Gewalt. Mittel wie Melodramatik und Videoclip-Ästhetik verschmäht sie sowieso nicht, wenn sie denn nur ihren Bildern Kraft verleihen. Am Freitag läuft der hochspannende Film als Hamburg-Premiere im Alabama-Kino.
Dirk Knipphals
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