Dortmund in der CL: Gelbe Farbtupfer in der Grauzone
Borussia Dortmund wird gegen Manchester City um den Lohn einer spektakulären Leistung gebracht. Schuld ist ein umstrittener Elfmeter.
MANCHESTER taz | Das Entsetzen war auch eine Stunde nach dem Spiel noch nicht aus dem Gesicht von Neven Subotic gewichen. Als „Albtraum“ bezeichnete der Innenverteidiger seine Erlebnisse an einem Abend, den die meisten Freunde von Borussia Dortmund eher als großartiges Champions-League-Abenteuer in Erinnerung behalten werden.
Aber Subotic haderte mit einem Schiedsrichterpfiff in der 89. Minute. „Ich kann die Hand doch nicht abschneiden“, knurrte Subotic, nachdem Aleksandar Kolarov ihn in der Schlussphase aus zwei Metern am Fünfmeterraum am Arm getroffen hatte. Es war ein Pfiff aus der Grauzone des Regelwerks.
Absicht lag sicher nicht vor, aber der Arm war weit vom Körper abgespreizt, was den Verdacht nährt, Subotic habe sich doch vorsätzlich ein wenig breiter gemacht. In jedem Fall war es der Augenblick, der einen nahezu perfekten Dortmunder Champions-League-Abend in ein recht ambivalentes Erlebnis verwandelte. Die Tabelle wäre so schön gewesen, wenn der BVB den verdienten Sieg über die Zeit gerettet hätte, sechs Punkte Vorsprung hätten sie dann auf Platz drei und Platz vier gehabt.
„Einige City-Spieler haben gesagt, dass sie hier noch nie so an die Wand gespielt wurden“, berichtete Subotic. Aber vielleicht war diese Behauptung der Engländer auch nur eine kleine Gemeinheit, um den Schmerz beim BVB noch ein wenig zu steigern.
Stolz und Schock
Am Ende dieses exzellenten Fußballspiels ergab sich eine seltsame Mischung divergierender Gefühle. Er sei „stolz“ auf diese Leistung, sagte Marco Reus, der das 1:0 für Dortmund erzielt hatte. Der fabelhafte Mittelfeldstratege Ilkay Gündogan meinte hingegen, er könne allenfalls „in einigen Tagen Stolz empfinden“, zu tief saß der Schock des späten Elfmeters, den Mario Balotelli, der italienische EM-Schreck, in der 90. Minute zum Ausgleich verwandelt hatte.
Aber immerhin einen Zweifel haben die Dortmunder an diesem Abend vorerst aus der Welt geräumt: „Wir haben bewiesen, dass wir unsere Erfahrungswerte gesammelt haben“, sagte Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke nach dieser Leistung, deren Krönung – kaum zu glauben – von einem englischen Torhüter verhindert worden war. Joe Hart wehrte zahllose Schüsse von Reus, Gündogan und Lewandowski ab, vor allem jedoch lieferte er sich ein sensationelles Privatduell mit Mario Götze. Zwei Versuche des Jungnationalspielers lenkte Hart ans Torgestänge, zwei weitere bugsierte er irgendwie um den Pfosten, „das angemessene Ergebnis wäre ein 8:6 für uns gewesen“, schlussfolgerte Subotic.
Praktisch erledigt
In einigen Phasen wirkte die Partie wie eine große Show zweier Weltklassetorhüter, denn auch Roman Weidenfeller hechtete kunstvoll durch seinen Fünfmeterraum und hielt die Bälle der fantastischen Offensivspieler, die Manchester City in den vergangen Jahren zusammengekauft hat. „Dieses unfassbare Talent von Manchester City kann man nicht über 90 Minuten eliminieren“, lautete Klopps Erklärung für die fünf, sechs Großchancen, die seine Defensive zugelassen hatte, wobei der BVB das Spiel in der zweiten Halbzeit bis zu jener verhängnisvollen finalen Minute bestens unter Kontrolle hatte.
Die Engländer waren nach dem 1:0 praktisch erledigt, und an dieser Stelle könnten Skeptiker einhaken und doch wieder den Mangel an internationaler Reife attestieren. Zumal die größte Chance wie schon in einigen Spielen der Vorsaison von Robert Lewandowski verstolpert wurde.
Aber die Mannschaft wirkt insgesamt stabiler, was sich vielleicht am deutlichsten an den Leistungen der beiden Sechser zeigte. Gündogan ist der strategische Kopf des Deutschen Meisters, und Sven Bender stand nach einer Leistenoperation in dieser Saison zu ersten Mal in der Startelf, spielte aber derart überzeugend, dass er Sebastian Kehl wohl vorerst auf die Bank verdrängt haben dürfte.
Besser als all die Dortmunder war nur Torhüter Joe Hart, der bedeutungsschwer meinte: „Dies sind die Spiele, in denen die großen Dramen kreiert werden.“ Natürlich sprach er von seinen eigenen Heldentaten, aber Neven Subotic würde dieser Formulierung gewiss sofort zustimmen.
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