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Doppelfunktion von "Berliner Zeitung"-ChefGericht stärkt Montys Handlanger

Die Doppelrolle des "Berliner Zeitung"-Chefs ist zulässig, urteilte ein Gericht. Der Handlanger von Finanzinvestor Montgomery reagierte mit Stellenstreichungen.

"Wir sind keine Wohlfühlgruppe": Josef Depenbrock Bild: dpa

BERLIN taz Als Josef Depenbrock am Morgen um halb zehn um die Ecke biegt, sind seine Mitarbeiter schon da. Sie und ein paar Fotografen. Als Depenbrock ins Gebäude des Berliner Arbeitsgerichts geht, folgen ihm nur die Fotografen. Seine Mitarbeiter nicht. Einer gegen viele, das ist die Situation. Selten genoss ein Chefredakteur weniger Vertrauen als Depenbrock. Das weiß er.

Verstärkung für Depenbrock

Josef Depenbrock bekommt offenbar Unterstützung: Martin Schuster, Depenbrocks Anwalt, sagte im Rahmen der Verhandlung über Depenbrocks Doppelposition als Geschäftsführer und Chefredakteur am Berliner Arbeitsgericht, mit Klaus Reidegeld sei ein zweiter Geschäftsführer bestellt worden. Reidegeld war bislang kaufmännischer Leiter des Berliner Verlags. Zugleich kündigte Depenbrock an, er wolle seine Präsenz als Chefredakteur erhöhen. Er lehnt es aber weiterhin ab, auf einen seiner Posten zu verzichten. Er mache auch seine Entscheidung nicht davon abhängig, ob der Betriebsfrieden in Gefahr sei, sagte er. Die Zeitung sei "kein Wohlfühlverein", er sei zudem "nicht als Everybody's Darling eingestellt" worden.

Aber er sieht aus wie jemand, der im Recht ist. Auf den Bildern, die die Fotografen von ihm machen, ist er ein überzeugender und von sich überzeugter Mann. Er hat die Arme vor der Brust verschränkt. Er hält Augenkontakt. Er plauscht mit seinem Anwalt. Er erklärt Journalisten seine Position. Er ist Geschäftsführer des Berliner Verlags geworden, als er schon Chefredakteur der Berliner Zeitung war. Die Redaktion will einen Chefredakteur, der nicht Mitglied der Geschäftsführung ist. Der nicht nur Renditeforderungen an sie durchwinkt. Der ihre Interessen im Verlag vertritt. Die Redakteure wollen erreichen, dass der Verlag die Funktionen trennt. Deswegen haben sie Klage eingereicht.

Dass man im Verlag jemanden habe, der etwas von journalistischen Inhalten verstehe, sagt Depenbrock am Vormittag, jemanden, der also nicht ausschließlich Kaufmann, sondern Journalist sei, das sei "näher an einem Verlegermodell dran als anderswo". Das ist sein Konter auf die Kritik, man könne es nicht verlegerische Arbeit nennen, wenn nur Renditeforderungen an eine Redaktion durchgereicht würden; wenn eine Zeitung wie die Berliner Zeitung immer weiter sparen müsse, obwohl sie profitabel sei, um die Aktionäre des Eigentümers zufrieden zu stellen. Dieser jemand, von dem Depenbrock spricht, ist er.

Er, Josef Depenbrock, ist der Geschäftsführer der BV Deutsche Zeitungsholding, der deutschen Abteilung des britischen Medienkonsortiums Mecom, das die Berliner Zeitung 2005 kaufte. Er ist der Geschäftsführer des Berliner Verlags. Der Herausgeber der Hamburger Morgenpost, die ebenfalls zum Konzern gehört. Er gibt das Kreuzfahrtmagazin Azur heraus. Er ist Anteilseigner des Anlegermagazins Cash. Er liebt Motorräder, zehn Stück soll er haben, und dass er auch noch Träger mehrerer Karnevalsorden ist, zeigt doch, wie redegewandt er ist. Er, der Chefredakteur der seriösen Berliner Zeitung, ein jovialer Mann mit offenen Armen, könnte Gerhard Schröders Bruder sein. Ein Mann, dem Kritiker Hemdsärmeligkeit vorhalten und im selben Satz zugestehen, dass er ein Macher sei. Was ihm, dem Sammler von Verantwortungspositionen, den Schlaf rauben könnte, wurde er einmal gefragt. Er antwortete: sein Kreuzfahrtmagazin.

Von 10.10 Uhr am Mittwochmorgen an ist er nur noch der Chefredakteur, der von seiner eigenen Redaktion verklagt wird. Um 10.10 Uhr beginnt die Gerichtsverhandlung.

Auf Fotos aus dem Gerichtssaal 334 sieht er aus wie einer, der sich jedem Konflikt selbstbewusst stellt. Er lächelt unaufdringlich, aber gewinnend in die Kameras. Der Kopf ist nicht eingezogen, Depenbrock hebt ihn leicht, wenn er in die Objektive schaut. Diese Fotos werden vor dem Verfahren gemacht. Während des Verfahrens sieht er aus wie ein gänzlich Unbeteiligter.

Rechts von ihm sitzt sein Anwalt, Martin Schuster. Links von ihm sitzt Thomas Rogalla, der Sprecher des Redaktionsausschusses, der ihn verklagt. Depenbrock und Schuster tauschen sich aus. Rogalla und Schuster tauschen über Depenbrock hinweg eine Höflichkeit aus. Rogalla und Depenbrock tauschen nichts aus. Dann versinkt Depenbrock in sich, die Schultern hängen nach unten, als wären sie zu einer atomischen Steilkurve verzogen. Er lässt alles über sich ergehen.

Auch Thomas Gerchel, der Anwalt der Redaktion, der sagt, dass die Redaktion nicht frei von den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des Verlags sei. Dass es nötig sei, zwischen dem journalistischen Interesse und dem Interesse des Unternehmens auszutarieren. Und dass es nicht machbar sei, wie Depenbrock beide zu vertreten. Auch Thomas Rogalla und seinen Vorgänger als Sprecher des Redaktionsrats, Ewald B. Schulte, die Depenbrock vorwerfen, redaktionelle Flächen für Werbekunden zu öffnen. Dass sie ihm vorwerfen, er lasse qualifizierte Redakteure das Haus verlassen. "Hier hat nicht ein Chefredakteur entschieden, der am Verbleib guter Leute interessiert ist, sondern der Geschäftsführer, der die teuersten Leute ziehen lässt."

Auch Andreas Dittert, der Vorsitzende Richter, der darauf hinweist, dass er "große Probleme" damit habe, aus dem Redaktionsstatut, auf das sich die Kläger berufen, eine konkrete Rechtsgrundlage abzuleiten, um der Klage stattzugeben. Es stehe nicht konkret im Statut der Zeitung, dass ein Chefredakteur nicht auch Geschäftsführer sein dürfe. Und Ewald B. Schulte, der für die Redaktion das Statut ausgehandelt hat und darauf verweist, "dass man immer nur das regeln kann, was die Lebensrealität vorgibt". Dass ein Chefredakteur nicht in kaufmännischem Interesse handle, habe man nicht als regelnotwendig erachtet, sagt er - "weil das selbstverständlich ist".

Als kurz vor 14 Uhr die Meldung über den Nachrichtenticker läuft, dass das Gericht die Klage der Redaktion abweist, füllt sich gerade der Versammlungssaal im Verlagsgebäude am Berliner Alexanderplatz. Der Betriebsrat hat zur Betriebsversammlung eingeladen. Nach einer Stunde stößt Josef Depenbrock dazu. Er ist wieder aus der Versenkung aufgetaucht. Er kommuniziert wieder.

150 Stellen in der deutschen Mecom-Abteilung sollen wegfallen, 40 davon in der Berliner Zeitung, das hat er seinen Mitarbeitern bereits mitgeteilt. Nun sagt er, die Größenordnung sei noch veränderbar. Er, der Chefredakteur, nennt Konkretes. Ressorts sollen zusammengefasst werden. Das Bundesbüro, das Nachrichtenressort und das für Vermischtes. Er wolle nicht nur bei den kleinen Leuten sparen, sagt er.

Der Satz sei ein echter Depenbrock, sagt später ein Redakteur. Spart. Und verkauft es als Tat der Gerechtigkeit. Was bleibt ist die Bestätigung der Kürzungspläne.

Seine Redaktion will weiterkämpfen gegen die Maßnahmen, die Depenbrock als Geschäftsführer verantwortet. Alle wissen, dass nicht er sie sich ausdenkt; dass er Zahlen erreichen muss, die ihm die Konzernspitze vorgibt. Was man Depenbrock vorwirft, ist, dass er mitmacht. Bei diesem Vorwurf wird es bleiben.

Und so ist es ein Tag, an dem Josef Depenbrock einen Prozess gewinnt. Das Vertrauen seiner Mitarbeiter aber, die gestern eine Anzeige in der taz schalteten: "Verleger gesucht!" - das Vertrauen gewinnt er nicht. Sie verteilen einen Brief an diesem Tag, den die Chefredakteure der niederländischen Mecom-Abteilung der Mecom-Spitze geschrieben haben. Einen Brief, in dem sie die Sparmaßnahmen, die ihnen ins Haus stehen, öffentlich verurteilen. Josef Depenbrock hat die Sparmaßnahmen, die der Berliner Zeitung ins Haus stehen, nicht verurteilt.

Josef Depenbrock ist Geschäftsführer.

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