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Doping im Radsport"Gier löst das Problem"

Jonathan Vaughters glaubt an die Selbstheilungskräfte der dopingaffinen Radsportszene. Seinem Rennstall Garmin hat er ein Kontrollprogramm verordnet, das mehr sein soll als ein Marketing-Coup.

Teammanager Jonathan Vaughters zeigt auf David Millar, dem Star seines Rennstalls: Sieht der nicht schön unschuldig aus? Bild: ap

Der Amerikaner Jonathan Vaughters fuhr als Radprofi 1999 in der Tour-de-France-Mannschaft von Lance Armstrong. Kurz darauf überwarf er sich mit Armstrong und wechselte zur französischen Mannschaft Crédit Agricole, wo er 2002 seine Karriere beendete. 2006 gründete er die Profimannschaft Slipstream mit dem aggressivsten Anti-Doping-Programm, das es im Radsport bis dahin gab. Slipstream - seit wenigen Wochen nach dem neuen Hauptsponsor Garmin benannt - wurde vor allem wegen diesem Programm in diesem Jahr erstmals zur Tour de France eingeladen.

taz: Herr Vaughters, wie gefällt Ihnen Ihre erste Tour als Sportdirektor?

Jonathan Vaughters: Die ganze Nervosität der hektischen Vorbereitungen ist vorbei und ich genieße es nur noch.

Ihr Team verkörpert angeblich einen neuen Ansatz im Radsport mit Ihrer Politik der, wie Sie sagen, strikten Selbstkontrolle und totalen Transparenz. Glauben Sie an einen neuen Radsport?

Ich habe guten Grund, daran zu glauben, dass im Radsport ein kultureller Wandel stattgefunden hat. Dem Radsport ist die Decke weggezogen worden, er kann nichts mehr verstecken. Ich denke, dass der Radsport sich gerade gesundschrumpft. Ich bin davon überzeugt, dass wir am Ende dieses Prozesses eine kleinere, aber dafür gesündere Herde haben.

Tatsächlich? Ist es nicht zu spät für eine Erneuerung? Die Skepsis, gerade in Deutschland, ist groß.

Die Deutschen haben sich von völlig kritiklosen Jublern in der Ullrich-Zeit zu totalen Skeptikern gewandelt. Wenn die öffentliche Meinung uns nicht die Zeit lässt, uns zu wandeln, dann können wir auch nichts daran ändern. Dann muss der Radsport eben implodieren.

Sie sagen, dass Sie, um Doping zu verhindern, keinen Leistungsdruck auf Ihre Mannschaft ausüben. Was haben Sie für Ziele bei dieser Tour?

Ich sage meinen Jungs natürlich nicht, dass sie sich einfach nur amüsieren sollen. Wir sind ja immer noch Sportler. Wir würden gerne in den ersten zehn Tagen einmal das Gelbe Trikot haben. Ich garantiere keinem Sponsor, dass wir alles abräumen. Das Einzige, was ich garantiere, ist, dass die Mannschaft sauber ist.

Sie lassen Ihre Fahrer von der Firma Agency for an Ethical Cycling testen, die Firma wird aber von Ihnen und vom Team High Road bezahlt. Wo ist denn da die Unabhängigkeit und die Garantie für einen Sponsor?

Natürlich wäre es ideal, wenn die Tests, die bei uns gemacht werden, von einer unabhängigen Körperschaft bezahlt werden. Aber welchem Sponsor könnte man das denn schmackhaft machen? Unser Projekt hat ja damit angefangen, dass ich die amerikanische Anti-Doping-Behörde gebeten habe, uns bis zum Umfallen zu testen. Dann bin ich zur Wada und zur UCI (Welt-Antidoping-Agentur und Radsportweltverband; d. Red.) gegangen, aber es gab immer irgendwelche bürokratischen Hürden. Deshalb haben wir ACE gegründet.

Ist die Uneinigkeit der Institutionen und Verbände im Radsport das größte Hindernis für eine einheitliche und wirksame Dopingbekämpfung?

Sicher. Aber ich denke, wir sind einem einheitlichen Anti-Doping-Programm im Radsport wesentlich näher, als das manchmal erscheint.

Aber bei der jetzigen Tour de France testet der französische Verband und nicht der Weltverband UCI, weil die Veranstalter der Frankreich-Rundfahrt und die UCI nicht mehr miteinander reden.

Ich denke, es ist egal, ob der französische Verband testet oder die UCI. Das Entscheidende ist nur, dass sich die Tests am Wada-Code orientieren. Die Wada muss für alle am Sport Beteiligten der Orientierungspunkt sein. Und das ist weitestgehend gegeben.

Wie sind Sie dazu gekommen, eine Mannschaft mit einem neuen Konzept auf die Beine zu stellen?

Es fing alles an, nachdem der Spanier Roberto Heras 2005 mit Epo erwischt wurde. Zwei Führungskräfte seines Teamsponsors, der amerikanischen Versicherungsgesellschaft Liberty, haben mich gebeten, ein Exposé zu schreiben, wie sie sich schützen können. Ich habe ihnen eine soziologische Studie verfasst und ein Testprogramm aufgestellt. Der wichtigste Punkt war, dass man die menschliche Natur akzeptieren muss, die Tatsache, dass man an einem Tag gewinnt und am nächsten Tag verliert und man nicht Siege auf Befehl abrufen kann. Wenn das Siegen zur Pflicht wird, dann ist dem Doping Tür und Tor geöffnet. Liberty hat das Papier gefallen, doch dann kamen die Nachrichten von der Operación Puerto an die Öffentlichkeit und alles begann sich aufzulösen, Liberty flog auf und der Sponsor stieg aus. Ich habe dann das Papier als Blaupause für meine eigene Mannschaft genommen.

War Ihr Konzept ein Gegenentwurf zur Armstrong-Mannschaft, bei der Sie ja einige Jahre selbst gefahren sind?

Sicherlich - es ist eine 180-Grad-Wendung gegenüber dem, was dort praktiziert wurde. Meine Erfahrung dort hat mir die Leidenschaft gegeben, etwas aufzubauen, in dem Athleten nie mehr vor die Entscheidungen gestellt werden, vor die wir gestellt wurden.

Sie selbst haben von sich gesagt, Sie hätten keinen Heiligenschein, aber Sie weigern sich, Details Ihrer Vergangenheit zu verraten. Warum?

Intelligente Leute können sich ihren Teil denken. Ich möchte nicht von dem ablenken, was meine Mannschaft macht. Man hat bei Riis und Aldag gesehen, was für einen Aufruhr ein Geständnis erzeugt. Ein Geständnis würde der Sache nicht helfen. Es geht nicht um mich.

David Millar, ein geständiger Epo-Doper, ist Ihr Mannschaftskapitän. Dient das der Sache?

Er ist mit seiner Vergangenheit der perfekte Mann für uns, er kann überzeugend die jungen Fahrer vor den Fehlern bewahren, die er gemacht hat. Man hat bei ihm Epo gefunden und er hat sofort alles gestanden. Er hat nie geleugnet, wie viele andere, oder versucht, sich herauszureden. Das zeigt mir, dass er sein Herz am rechten Fleck hat.

Man wirft Ihnen vor, dass Ihr Anti-Doping-Programm nur ein Marketing-Coup ist.

Ich kann diesen Vorwurf nicht verstehen. Es ist doch eine gute Sache, wenn wir beweisen können, dass der Kampf gegen Doping finanziell erfolgreich sein kann. Man sagt, die Gier habe das Dopingproblem geschaffen. Wir wollen beweisen, dass die Gier das Dopingproblem lösen kann. Wenn wir wirtschaftlich Erfolg haben, werden sich doch hoffentlich alle anderen in der Szene fragen, warum sie das nicht auch tun. Nicht jeder hat denselben moralischen Kompass, aber jeder hat mehr oder weniger denselben wirtschaftlichen Kompass.

INTERVIEW: SEBASTIAN MOLL

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