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„Don Camillo“ mit Läut–Verbot belegt

■ Italienischer Pfarrer prangerte mit Glockenläuten die „sündhafte“ Abtreibungspraxis der städtischen Klinik an

Aus Rom Werner Raith

Warum er seinen Protest gerade jeden Dienstag hinausläutete, weiß Don Agostino Cerri auch nicht mehr so genau: warum er es um 14 Uhr tat, freilich schon: Da beginnt in Giussano bei Mailand in der kirchennahen Klinik die Operationsarbeit - und darunter, das weiß wiederum Don Agostino, „die tägliche Abtreibungs– sprich Tötungsmaschinerie“. Und da der Pfarrer militanter Abtreibungsgegner ist (“kann er anderes sein?“ attestierte ihm der „Corriere della sera“), ließ er sich einen Protest einfallen, den schon der legendäre, freilich fiktive, Don Camillo in Guareschis Romanen durchführte, wenn die Ortskommunisten Diabolisches im Sinne hatten: Er läutete die Kirchenglocken, um die Einwohner vom kommenden Unheil zu unterrichten. Den Ärzten im Spital kam das vielleicht gar nicht so recht zu Ohren, hörte man solches doch nicht in den OP hinein. Aber so mancher Einwohner fühlte sich gestört. Die Sache kam vor den Pretore, den örtlichen Amtsrichter. Der wälzte sein Strafgesetzbuch und siehe da, unter Paragraph 659 und 660 fand sich, daß „jeder, der durch Mißbrauch von Schallinstrumenten oder akustischen Signaleinrichtungen ... die Beschäftigung oder die Ruhezeit von Menschen stört .. mit Haft bis zu drei Monaten oder Geldbuße bestraft wird“. Amtsrichter Dr. Franciosi verbot die Bimmelei - und Italien zerfällt seither in zwei Teile: diejenigen, die behaupten, dem Abtreibungsbefürworter Dr. Franciosi sei der Paragraph gerade recht gekommen, und diejenigen, die da glauben, der Pretore habe gar nicht anders handeln können, weil Glockengebimmel Kulthandlungen ankündigen und somit mißbräuchlich verwendet sind, wenn man Arzthandlungen damit begleitet. Don Agostinos Mitkämpen können dem Urteil auch positive Seiten abgewinnen. „Ohne das Verbot“, so die Vorsitzende einer regionalen Anti–Abtreibungs–Initiative, „wäre der Glockenprotest überhaupt nicht zur Kenntnis genommen worden. Hoffen wir auf viele Nachfolge– Täter.“ Auch im Hospital von Giussano ist man nicht unzufrieden: „Jetzt wissen die Leute, daß man in unserem Krankenhaus den Eingriff vornimmt.“ Es steht also, wie der Barkeeper Cesare anmerkt „derzeit 1:1“. Eines ist gewiß: „Es kommen haufenweise Touristen, die das neue Don–Camillo– Nest ansehen wollen.“ Und davon kann Cesare nur profitieren.

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