Dokumentation: "Die geilsten Prügeleien seit Mailand 1990"
■ Hooligans versprechen den St. Pauli-Fans für den 20. April Randale, wollen aber keine Faschisten sein
Die deutsche Nationalmannschaft trifft am 20. April im Hamburger Volksparkstadion auf die Auswahl Englands. Ein breites Bündnis aus St. Pauli-Fans und gesellschaftlichen Gruppen forderte den DFB auf, dieses Spiel abzusagen, weil in den vergangenen Jahren dieser Tag faschistischen Organisationen, die sich auch gerne bei nationalen Fußballereignissen tummeln, für Aufmärsche und Demonstrationen genutzt wurde. Anläßlich dieses Aufrufs erhielt der St. Pauli-Fanladen folgenden Brief
Liebste St. Paulianer,
ich, und mit mir wohl auch alle anderen deutschen und britischen Hooligans, mußte sehr schmunzeln, als ich von euren Plänen zur Verhinderung des Länderspiels Deutschland-England am 20.04.94 im Volksparkstadion hörte.Zugegeben, der Termin ist vielleicht etwas unglücklich gewählt, denn tatsächlich werden wohl einige Ewiggestrige diesen nicht gerade denkwürdigen Tag feiern wollen. Die paar Idioten wird man zu isolieren wissen, die Mehrzahl von uns steht diesen Leuten eh kritisch gegenüber. Gerade deshalb ist es traurig und belustigend zugleich, daß euer in einer irrealen Fantasiewelt lebender Haufen versucht, das Länderspiel zu politisieren und für eure erbärmlichen, einseitig faschistoiden Ideologien zu mißbrauchen. Fußball ist Kult(ur) und der Nationalsport unseres Landes, egal wie ihr zu diesem steht. Ein Länderspiel solchen Gewichts ist schon lange nicht mehr in unserer Stadt ausgetragen worden, und viele fußballbegeisterte Hamburger freuen sich (wie ich und alle anderen Fans und Hooligans) auf ein tolles Spiel.
Daß es im Umfeld zu Boxereien zwischen deutschen und englischen Rowdies kommen wird, ist allen bekannt und wird im Vorfeld eines solchen Siels einkalkuliert. Die Engländer werden zahlreich kommen, und zwar egal, ob das Spiel in Hamburg, in München oder auf den Bahamas ausgetragen wird...ihr wißt das genauso wie wir. Die Mehrheit Hamburgs findet es super, daß solch ein Spiel in ihrer Stadt stattfinden soll, während ein Häufchen notarieller Nörgler und Besserwisser uns Norddeutschen ein Fußballfest der Extraklasse zu verderben gedenkt. Einen Aufmarsch von Neonazis (wobei dieser Personenkreis für euch schon beim heimatverbundenen SPD-Wähler beginnt) wird es nicht geben, da wir Hooligans selbst (oder aber die Polizei) denen schon frühzeitig das Maul zu stopfen wissen werden; und daß englische Hooligans Anti-Nazis sind, dürfte auch euch bekannt sein (oder seid ihr tatsächlich derart schlecht informiert). Man sieht, daß der Termin des Spieles nur ein Vorwand von euch Spinnern ist; kein potentieller Neonazi wird an dem Tage eine Chance haben, sich oder seine Ideen darzustellen. Rchtsextremen Möchtegern-Hools aus Deutschlands Osten wird es nicht besser ergehen...
Krawalle wird es geben, darüber gibt es keinerlei Zweifel. Die Polizei wird keine 2000 Hooligans unter Kontrolle halten können, weder in Hamburg noch sonstwo in Deutschland. Es werden hoffentlich die geilsten Prügeleien seit Rotterdam '88 und Mailand '90 werden. Nur sind Ausschreitungen ein gesellschaftsspezifisches Problem, keinesfalls ein politisches. Viele von euch werden es schon am eigenen Leib erfahren haben (und ich muß gestehen, daß es mir immer wieder Spaß macht, einen von euch Linksextremisten niederzustrecken und dann voll in die Fresse zu treten)... wir sind alle ein bißchen geisteskrank, egal ob arbeitslos oder Schiffsmakler, egal ob Arbeiter oder Student, egal ob links oder rechts... und alle wollen wir das Gleiche: ein 3:0 für unsere Elf und die Engländer vor die Fäuste kriegen... und gerade ihr werdet dabei kein Hindernis sein!!!
MfG, ein verständlicherweise anonymer ULTRA aus Hamburg
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