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DokumentationDie Neunte in der Waffenschmiede

■ Offener Brief ans Orchester: Kein Einheits-Konzert in der Lürssenwerft

„Sie beabsichtigen am Abend des 2.10. dieses Jahres, das ist der Vorabend vor dem Tag der deutschen Einheit, auf der Luerssen Werft in Lemwerder bei Bremen die 9. Sinfonie von Beethoven aufzuführen. Zu diesem Zweck wird eine der Montagehallen hergerichtet.

Uns, die Unterzeichnerinnen, befremdet es, daß die Stadt Bremen Ihnen diesen Ort für die Aufführung zugewiesen hat. Ja es entrüstet uns, daß solches beabsichtigt ist. Um Ihnen unsere Entrüstung, die sich wohlgemerkt gegen die Stadt Bremen und gegen die Luerssen Werft richtet, zu begründen, geben wir Ihnen nachfolgende Informationen:

-Die Luerssen Werft baut seit mehr als 100 Jahren Kriegsschiffe.

-Die Luerssen Werft hat vor und während des Zweiten Weltkriegs das sog. 3. deutsche Reich, also das faschistische Deutschland, mit Kriegsschiffen beliefert.

-Seit 1954 baut die Werft wieder Kriegsschiffe.

-Die Luerssen Werft erhält offenbar sehr leicht Exportgenehmigungen für ihre Produkte und darf auch in Spannungsgebiete liefern.

-Deshalb waren während des 2. Golfkrieges, 1991, Schiffe der Werft auf beiden Seiten gegeneinander im Einsatz.

-Neben der Werft liegt ein militärisch abgesichertes Ausbildungszentrum, wo die Kunden den Umgang mit hochmoderner Technik erlernen können und an Rüstungssystemen ausgebildet werden.

-Einige Kunden der Luerssen Werft sind: AbuDhabi, Bahrein, Chile, Ghana, Indien, Indonesien, Nigeria, Südafrika, Türkei, Vereinigte Arabische Emirate, Kuweit. Auch der Chefeinkäufer der irakischen Rüstungsindustrie, Mr. Hanna, wurde mit dem Botschafter von Saudi Arabien gemeinsam auf dem Werftgelände gesehen.

(...) Wir sind entsetzt, daß die Stadt Bremen Ihnen zumutet, in der Montagehalle eines Waffenherstellers und -händlers zu spielen. Wir wissen auch nicht, ob und welcher Zusammenhang zwischen Waffenproduktion, Waffenhandel und der deutschen Einheit hergestellt werden soll. Wir meinen, daß dies einen Mißbrauch Ihrer Kunst und der Kunst schlechthin darstellt. Ganz besonders die Aufführung von Beethovens 9. Symphonie in dieser Umgebung ist reiner Hohn.

Wir geben uns natürlich nicht der Hoffnung hin, daß Sie dieses Konzert noch kurzfristig absagen. Wir finden es jedoch wichtig, daß Sie wissen, wo Sie am 2.10.94 spielen werden.“ Unterzeichnet vonDFG-VK, Landesvorstand Niedersachsen/Bremen, Deutsche Friedensgesellschaft- Vereinigte KriegsdiensgegnerInnen, DFG-VK, Ortsgruppe Bremen, Bund für Umwelt und Naturschutz, Bremen/Dtl., Pusdorfer Friedensgruppe, Graswurzelgruppe und Gruppe für gewaltfreie Veränderungen Bremen und Oldenburg, viele BürgerInnen aus Bremen & umzu.

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